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Die Community fragt: Aydan Özoğuz antwortet

Staatsministerin Aydan Özoğuz ist Beauftragte für Migration, Flüchtlinge und Integration. Ihr Ziel ist es, dafür zu sorgen, dass alle Menschen in Deutschland, ob mit oder ohne Einwanderungsgeschichte, gut zusammenleben können, dass Teilhabe für alle und Teilnahme von allen an unserer Gesellschaft gelingt. Aufgrund der aktuellen Flüchtlingssituation in Deutschland und Europa gehören die Fragen rund um Immigration und Einwanderungspolitik zu den vorherrschenden Themen im Bürgerdialog.

Veröffentlicht:25.09.2015 Kommentare: 3

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Die Gärtnerin: "Wir sind Verschwender. Asylbewerber, die Jahre auf den Abschluß ihres Verfahrens warten müssen, verlieren wertvolle Zeit für Ausbildung, Arbeit, Studium." Warum müssen Asylbewerber so lange auf ein Ergebnis warten? Und warum dürfen sie die Wartezeit nicht sinnvoller nutzen?

Aydan Özoğuz: Es nützt in der Tat niemandem, Flüchtlinge tatenlos in den Unterkünften herumsitzen zu lassen. Das ist verheerend. Wer hier eine Bleibeperspektive hat, muss sofort Angebote zur Integration bekommen. Hierzu gehören Maßnahmen zum Spracherwerb und dann zur Integration in die Ausbildung oder in den Arbeitsmarkt. Ich setze mich sehr dafür ein, dass wir Asylbewerbern und Geduldeten einen schnellen Zugang in unseren Arbeitsmarkt ermöglichen. Wir haben mittlerweile einige wichtige Änderungen beschlossen, damit Asylbewerber die Wartezeit bis zur Entscheidung über ihren Antrag sinnvoll nutzen können. 2014 z. B. haben wir den Arbeitsmarktzugang für Asylbewerber und geduldete Ausländer von neun auf drei Monate verkürzt. Außerdem haben wir die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit für Asylbewerber und Geduldete nach 15-monatigem Aufenthalt ohne die Prüfung ermöglicht, ob der gefundene Job nicht doch noch von anderen arbeitsuchenden Deutschen oder EU-Ausländern gemacht werden kann. Und gerade erst im Juli haben wir im Bundeskabinett eine weitere Verbesserung für die Arbeitsmarktintegration von Asylsuchenden und Geduldeten beschlossen. Zukünftig sind auch Praktika zur Berufsorientierung für Geduldete und Asylbewerber mit guter Bleibeperspektive zustimmungsfrei, das heißt, die Bundesagentur für Arbeit muss nicht mehr wie bisher vorher zustimmen.

Sprache als Schlüssel zur Integration

Briggy sagt: "Im Fernsehen war kürzlich ein Asylsuchender, der wortlaut dolmetschen ließ: Warum sollen wir Deutsch lernen, in 10 Jahren spricht das eh keiner mehr!!" Denken Flüchtlinge das wirklich? Wieviel Bereitschaft bringen Asylbewerber auf, wenn es um das Integrieren in die deutsche Gesellschaft geht?

Aydan Özoğuz: Die große Mehrheit der Asylsuchenden, die nach Deutschland kommen und die langfristig in Deutschland bleiben wollen, bemüht sich sehr um die deutsche Sprache. Die Menschen wissen, dass alles von ihren Sprachkenntnissen abhängt. Das zeigt auch die große Nachfrage nach den Integrationskursen, in denen Zuwanderer Grundkenntnisse der deutschen Sprache und über Deutschland erwerben. Deshalb wollen wir die Sprachkurse jetzt ja auch schon für Asylbewerber und Geduldete mit Bleibeperspektive öffnen, damit wir keine Zeit mehr verlieren. Sprache ist der Schlüssel zur Integration, die Mehrheit der Flüchtlinge versteht das sehr schnell und ist hochmotiviert dabei.

In dem Ort Lessien in Niedersachsen mit einer Einwohnerzahl von 382 wurden 225 Asylbewerber untergebracht. Laut Feldjäger sollten solche Relationen vermieden werden. Warum ist es so schwierig, Unterkünfte angemessen zu platzieren und zu gestalten?

Aydan Özoğuz: Es ist leider so, dass in den letzten Jahren viele Unterkünfte abgebaut wurden. Jetzt müssen also wieder neue Einrichtungen gebaut werden, das geschieht gerade in allen Bundesländern, aber das geht nicht von heute auf morgen. Und die Wahl der Orte ist nicht immer einfach. Natürlich wollen wir nicht, dass sich die Menschen in einem kleinen Dorf überfordert fühlen, deshalb ist Kommunikation und Transparenz so wichtig. Aber klar ist auch, dass wir nicht ewig über die Einrichtung von Unterkünften diskutieren können. Wir brauchen sie nun mal – und zwar schnell! Was mich sehr freut, ist, dass oftmals dort, wo Flüchtlinge ankommen, auch sofort eine Initiative entsteht, die ihnen hilft und sie willkommen heißt.

Besonderen Schutz für minderjährige Flüchtlinge

Hannah meint: "Insbesondere für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge muss das Kindeswohl sicher gestellt werden, indem u.a. lange Verfahrenswege, Alterseinschätzungen und Quotenverteilungen abgeschafft werden." Was halten Sie von diesem Vorschlag?

Aydan Özoğuz: Unbegleitete minderjährige Flüchtlingen machen nur einen Bruchteil der Kinder aus, die als Flüchtlinge zu uns kommen. Die Allermeisten sind in Begleitung ihrer Eltern unterwegs. Wenn dennoch Minderjährige alleine auf der Flucht sind, brauchen sie bei unseren besonderen Schutz. Sie müssen vom Jugendamt in Obhut genommen werden und einen Vormund erhalten. Wir müssen ganz besonders darauf achten, dass bei der Unterbringung, Versorgung und Betreuung von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen sichergestellt wird, dass das Kindeswohl gewahrt und die Qualitätskriterien der Kinder- und Jugendhilfe eingehalten werden.

Etliche Pegida-Sympathisanten beschweren sich im Bürgerdialog darüber, von Medien und Politik "als rechtsradikal eingestuft" (Horst Müller) zu werden. Sie fühlen sich außerdem in ihrer Meinungsfreiheit bedroht. Können Sie ihren Unmut verstehen? Wie stehen Sie als Integrationsbeauftrage zu Flüchtlingsgegnern?

Aydan Özoğuz: Ich habe da eine ganz klare Haltung: Wer hinter der Fahne von NPD und Rechtsextremen mitläuft, der darf sich nicht darauf berufen, nur ein besorgter Bürger zu sein. Auch viele Pegida-Anhänger haben aus meiner Sicht die Grenze dessen, was ich zu tolerieren bereit bin, überschritten. Ich kann grundsätzlich verstehen, wenn Menschen verunsichert sind, wenn sie Angst vor Veränderungen haben. Gegen die Veränderungen, die wir global erleben, können wir nichts tun, sie werden uns so oder so erreichen. Wenn wir uns aber vor lauter Angst verschließen, Vorurteile ungeprüft übernehmen und hinter fremdenfeindlichen Plakaten herlaufen, dann kann ich nur sagen: Sprecht doch einmal mit den Menschen, die ihr beschimpft. Wer ins Gespräch kommt, wird oft ganz schnell eine Ahnung bekommen, weshalb die Menschen die Flucht auf sich genommen und alles zurück gelassen haben. Die Menschen kommen, weil es in ihrer Heimat unerträglich für sie geworden ist. Welches Leid viele der Flüchtlinge erfahren haben, können viele bei uns sich oft nicht vorstellen.

Kommentare: 3

  • Dieser Satz ist interessant : "Die Menschen kommen, weil es in ihrer Heimat unerträglich für sie geworden ist. Welches Leid viele der Flüchtlinge erfahren haben, können viele bei uns sich oft nicht vorstellen." Wie soll das nun weiter gehen? Kommen nun alle Menschen und deren Großfamilien zu uns nach Deutschland, denen es in ihrer Heimat nicht gefällt? Es kommen ja auch nicht wenige wohlhabende Flüchtlinge nach Deutschland, das habe ich gerade in einer amtlichen Statistik gelesen. Kann Deutschland sich diese millionenfache Gastfreundschaft für immer leisten? Wo sind da Grenzen? Sollten nicht gerade junge Menschen, vor allem junge Männer für Veränderungen der Lebensbedingungen in ihrer Heimat kämpfen, gerne nach deutscher Ausbildung und Unterstützung, gerne in deutschen Uniformen? Wer soll denn sonst die Bedingungen und Verhältnisse in den Fluchtländern ändern, sich dafür aufopfern? Sollen die vor allem jungen Flüchtlinge dazu nichts beitragen (dürfen und müssen)? Gruß- Uwe

  • Es fehlt in Deutschland eine demokratische und schöpferische Streitkultur, es ist nur das politisch richtig, was politische und wirtschaftliche Eliten immer gerade als richtig empfinden. Das kann sich sicher auch schnell mal ändern, aber so ähnlich verläuft das. Was nicht in diesen abgesteckten Rahmen passt, ist nicht willkommen, diese Menschen werden schnell als extrem rechts oder wenig tolerant abgestempelt. Eine wirkliche und ehrliche Diskussion auch zu Flüchtlingsthemen kommt so kaum zu Stande. Das kann dieser Gesellschaft noch sehr auf die eigenen Füße fallen. Gruß- Uwe

  • "Teilhabe für alle und Teilnahme von allen". Ich schlage diese Begriffe zum Unwort des Jahres vor. Sie sind genauso plakativ wie "Freibier für alle" - aber weniger lustig.
    Teilhabe und Teilnahme müssen erarbeitet, nein, sie müssen verdient werden.

    Im übrigen bin ich der Meinung, dass Afrika nicht zu Deutschland gehört ...