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"Die Jungs sollen Spaß am Fußball haben"

Jochen Saier (37) ist Sportvorstand beim SC Freiburg. Der Zweitligist ist bekannt für seine erstklassige Jugendarbeit. Im Interview erklärt Jochen Saier, warum gerade Mannschaftssport zu einem guten Leben beiträgt.

Veröffentlicht:18.08.2015 Kommentare: 3

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Welchen Stellenwert hat der Nachwuchs für den SC Freiburg?
Talente sind der zentrale Eckpfeiler unserer Vereinsphilosophie. 2001 haben wir ein Leistungszentrum eröffnet. Wir haben uns damals bewusst dafür entschieden, stärker in die Ausbildung von Talenten zu investieren. Im Vergleich zu vielen anderen Bundesligavereinen haben wir schwierigere Standortvoraussetzungen. Wir haben ein kleines Stadion und damit auch geringere finanzielle Möglichkeiten. Durch den Transfer von selbst ausgebildeten Spielern, die bei größeren Vereinen den nächsten Schritt ihrer Karriere machen, konnten wir dies in den vergangenen Jahren zum Teil kompensieren.

Wie geht der SC Freiburg vor, um Talente zu finden?
Wir kooperieren mit sechs Vereinen, die im Umkreis von 60 bis 150 Kilometern von Freiburg beheimatet sind. Die Talente sollen sich dort in aller Ruhe entfalten. Die Ausbildung in der Freiburger Fußballschule beginnt erst in der U12. Die Jungs sollen möglichst lange in ihrem sozialen Umfeld bleiben, kurze Wege zum Training und zur Schule haben. Neben dieser Kooperation beobachten wir junge Spieler aus der Region, in ganz Deutschland und auch international.

Klingt so, als müssten die Talente in jungen Jahren bereits sehr viel leisten.
Die Jungs müssen sogar Gewaltiges leisten. Sie trainieren in der Regel vier- bis fünfmal pro Woche, hinzu kommt ein Ligaspiel. Und dann ist da ja noch die Schulausbildung. Das ist ein sehr anspruchsvoller Wochenrhythmus. Unsere Aufgabe ist es, diesen Rhythmus gut zu dosieren und zu begleiten. Die Jungs sollen den Spaß am Fußball unbedingt behalten.

Wie werden die Kinder und Jugendlichen über das Sportliche hinaus gefördert?
Wir beschäftigen zwei Pädagogen und einen Psychologen, die den Alltag unserer Talente begleiten und die Schulausbildung koordinieren. Zudem arbeiten wir mit drei Kooperationsschulen in Freiburg zusammen. Den Talenten wird ermöglicht, die anspruchsvolle duale Ausbildung zu bewerkstelligen und jeweils einen möglichst hohen Schulabschluss zu absolvieren.

Wie reagieren Sie darauf, wenn eines Ihrer Talente fußballerisch glänzt, die schulischen Leistungen jedoch zu wünschen übrig lassen?
Der Dreiklang aus Schule, Persönlichkeit und Sport muss stimmen. Wir sehen uns in der Verantwortung, in allen drei Bereichen gut auszubilden. Sollten die schulischen Leistungen problematisch sein, vermitteln wir Nachhilfelehrer. Die Trainer wissen dann auch Bescheid, sodass auch mal die eine oder andere Trainingseinheit ausfallen kann.

Welchen Beitrag leistet diese sportliche und private Förderung zu einem guten Leben?
Sport ist gerade in der Phase des Heranwachsens extrem wichtig, vor allem Mannschaftssport. Er eignet sich ideal für das Vermitteln von wichtigen Werten wie Fair Play. Beim Fußball lernt man, seine Mitmenschen so zu respektieren, wie sie sind. Er fördert ein Miteinander, denn nur wer zusammenhält, hat Erfolg.

Der studierte Sportökonom Jochen Saier leitete das Freiburger Nachwuchsleistungszentrum von 2002 bis 2013. Kurz danach arbeitete er als Sportdirektor und ist nun Sportvorstand beim Zweitligisten SC Freiburg. Der Verein aus dem Breisgau ist bekannt für seine hervorragende Jugendarbeit. Im aktuellen Kader sind derzeit zehn Spieler, die im eigenen Nachwuchs ausgebildet worden sind. Etwa zehn weitere Spieler sind bei anderen Bundesligisten beschäftigt, unter anderem Oliver Baumann und Jonathan Schmid (TSG 1899 Hoffenheim), Matthias Ginter (Borussia Dortmund) und Ömer Toprak (Bayer Leverkusen).

Kommentare: 3

  • Auch andere Sportarten sind herkunftsunabhängig, aber man muss eben als Gesellschaft den Breitensport ermöglichen, fördern und unterstützen. Nicht wenige Eltern und Erziehungsberechtigte können sich bzw. ihren Kindern eben die Dinge für den Sport nicht mehr leisten, es wird immer teurer, dazu kommen ja auch Fahrkosten u.a. Dinge. Wer kann und soll Patenschaften übernehmen, viele Firmen Sponsoren lieber Dinge mit viel PR und Öffentlichkeitswirksamkeit. Habe das im Bereich ehrenamtliche Vereinsarbeit in Sachen Familienbegegnung- Völkerverständigung in 22 Jahren oft genug erleben müssen, mir anhören müssen. Wenn es ein existenzsicherndes BGE Bedingungsloses Grundeinkommen für alle Menschen geben würde, dann wäre dieses Thema kaum noch ein Thema, Eltern könnten dann ihren Kindern Sport und Kultur je nach Interesse ermöglichen. Vieles könnte anders geregelt werden. Aber Firmen sollten jetzt auch schon mal den Breitensport- kleine Talente (künftige Fachkräfte) mehr fördern. Gruß- Uwe

  • Gerade Fußball ist absolut herkunftsunabhängig. Man nehme einen Ball, fange an zu soielen - auf der Straße, am Strand oder auf dem Schulhof - und innerhalb kurzer Zeit wird der Kreis der Spieler automatisch größer. Da ist es egal, ob man 6 oder 14 Hare alt ist und welche Muttersprache man spricht. Das macht diesen Sport als Breitensport und als Leistungssport so wichtig und einzigartig. Ich finde es sehr gut, wenn und dass so viel für die Förderung kleiner Talente getan wird!

    Schön wäre es, wenn auch im Breitensport "Patenschaften" übernommen werden könnten: Angenommen, es gibt da ein kleines Talent, aber den Eltern fehlen die 100 Euro Geld für den Jahresbeitrag des nächstgelegenen guten Fußballvereins und 100 Euro für geeignete Fußballschuh, Vereinstrikot u.ä. Wenn dann einfach jemand anders einspringen und die insg. 200 Euro direkt und unbürokratisch an der Verein bezahlen könnte, wäre das doch für alle Beteiligten eine super Sache!

  • Gute Sache. Aber immer mehr Kinder geraten im reichen Deutschland mit ihren Eltern und auch alleine in Armut und soziale Schieflage. Sport kann einiges ausgleichen, aber das Problem der Folgen von Armut und oft fehlender Zukunftsperspektive nicht lösen. Wir brauchen existenzsichernde Jobs, besser die existenzsichernde Bezahlung von Jobs, die heute oft nur ehrenamtlich oder im Nebenverdienst gemacht werden können. Wir brauchen als alternde Gesellschaft viel mehr Geld in den Bereichen, wo Familien, Kinder und Jugendliche betreut, gebildet, gefördert und unterstützt werden. Aber da wird leider immer wieder gestrichen und gespart. Gruß- Uwe