Bürgerdialog in Großbritannien
Auch die Regierung in Großbritannien wollte von ihren Bürgerinnen und Bürgern wissen, was für ihre individuelle und nationale Zufriedenheit von Bedeutung ist. 2010 hat die britische Regierung eine landesweite Debatte eröffnet - mit der Frage „Was ist Ihnen wichtig?“ Wie es dazu kam und was dabei heraus gekommen ist, darüber schreibt Joanne Evans vom "Office for National Statistics" in einem Gastbeitrag.
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Auf Einladung von Premierminister David Cameron hat das Statistikamt des Vereinigten Königreichs (Office for National Statistics, ONS) 2010 ein Programm zur Bewertung der nationalen Zufriedenheit gestartet. Ziel war die Erhebung und Veröffentlichung einer Reihe anerkannter und verlässlicher statistischer Daten, anhand derer die Menschen die in ihrem Land herrschende Zufriedenheit besser würden einschätzen und beobachten können.
Wir eröffneten eine landesweite Debatte mit der Frage „Was ist Ihnen wichtig?“ So wollten wir möglichst viele unterschiedliche Antworten auf die Frage einholen, was für die individuelle und nationale Zufriedenheit von Bedeutung ist. Von November 2010 bis April 2011 konnten sich die Menschen sowohl online als auch bei Veranstaltungen überall im Land an der Debatte beteiligen.
Wir erhielten knapp 8000 Antworten auf den Fragebogen und organisierten landesweit 175 Veranstaltungen, an denen sich 7250 Menschen beteiligten, darunter Wissenschaftler und Studierende, Stiftungen, Gruppen von Menschen mit Behinderungen, Arbeitgeber, ethnische Minderheiten, religiöse Gruppierungen und Schulkinder.
Ergebnisse
Aus der Debatte ging hervor, dass Gesundheit, Beziehungen, Arbeit und Umwelt für unsere persönliche Zufriedenheit den größten Stellenwert besitzen. Auch waren sich die meisten Teilnehmer einig, dass ebendiese Punkte berücksichtigt werden sollten, wenn es um die Frage geht, in welchen Bereichen und mit welchen Kriterien die nationale Zufriedenheit gemessen werden soll.
Aus den Bereichen und Bewertungskriterien sollte hervorgehen, was nach Ansicht derer, die sich an der Debatte beteiligt hatten, von Bedeutung ist; auch die Ergebnisse internationaler und wissenschaftlicher Arbeit zur Bewertung der Zufriedenheit sollten jedoch ihren Niederschlag finden.
Die Art der Darstellung ist entscheidend dafür, wie gut Statistiken genutzt werden. Wir haben die Notwendigkeit eines starken visuellen Elements festgestellt und uns deshalb für die Darstellung in Form eines Rades entschieden (Wheel of Measures).
Nationale Zufriedenheit und Politik
Das Thema Zufriedenheit wird mittlerweile von den meisten Regierungsstellen mit ins Kalkül gezogen und die vier Fragen des ONS zur persönlichen Zufriedenheit sind in mehr als 20 Umfragen der Regierung eingeflossen. Anhand folgender Beispiele wird deutlich, wie das Thema Zufriedenheit bei der Politikgestaltung berücksichtigt wurde:
- Verkehrspolitik: Das Verkehrsministerium hat ein Instrument entwickelt, mit dem politische Entscheidungsträger auf der Grundlage der Zufriedenheitsbereiche die gesellschaftlichen Auswirkungen großer Verkehrsinvestitionsentscheidungen besser einschätzen können. Dieses Instrument wurde beispielsweise vom Flughafenausschuss des Vereinigten Königreichs genutzt, um eine Folgenabschätzung darüber durchzuführen, wie sich eine dritte Landebahn in London auf die Lebensqualität der Bürger auswirken würde.
- In einem Diskussionspapier der Regierung wurde erörtert, wie der gesellschaftliche Nutzen bestimmter Tätigkeiten in Zahlen ausgedrückt werden kann; daraufhin bezifferten Regierungsstellen sportliche Aktivitäten einmal pro Woche mit £ 11 000 und häufiges ehrenamtliches Engagement mit £ 13 500.
Es muss noch mehr getan werden, um die Nutzung der Zufriedenheitskriterien durch die Politik zu fördern. Die Bewertung der nationalen Zufriedenheit ist ein langfristiges Entwicklungsprogramm, und wir sind davon ausgegangen, dass einige Zeit vergehen würde, bis die Zufriedenheitsforschung in zentrale politische Entscheidungsprozesse hineinwirkt. Die genannten Beispiele jedoch zeigen, dass der Grundstein durchaus bereits gelegt ist.
Joanne Evans ist leitende Forschungsbeamtin im „Office for National Statistics“, dem Statistischen Bundesamt in Großbritannien (GB). Sie begann bereits im Jahr 2011 mit der Messung der nationalen Lebensqualität im britischen Königreich und spielte dabei eine aktive und abwechslungsreiche Rolle in der nationalen Debatte. So oblag ihr neben der Organisation und Durchführung von landesweiten Veranstaltungen auch die Analyse vieler tausender Bürgerbeiträge zum Thema Lebensqualität in GB. Bis vor kurzem noch war Jo Evans für die Veröffentlichung und Analyse des britischen „Wheel of Measures“ (Maßnahmen zur Steigerung der Lebensqualität in GB) verantwortlich. Seit diesem Jahr hat sie eine führende Rolle in der Post-2015-Agenda zwecks Überprüfung der globalen Nachhaltigkeitsziele und zugehörigen Berichten inne.
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