„Der Bürgerdialog hat den Anstoß gegeben“
Die Volkshochschule Hochtaunus hat gerade eine Themenreihe mit dem Titel „Wie wollen wir … leben?“ durchgeführt. Die Idee entstand aus dem Bürgerdialog der Bundesregierung heraus. Welche Inhalte die Themenreihe genau hatte, erzählt Carsten Koehnen, Leiter der Volkshochschule Hochtaunus, im Interview.
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Quelle: Number One/Kappus
Herr Koehnen: Sie haben gerade eine umfassende Themenreihe „Wie wollen wir … leben?“ in der Volkshochschule Hochtaunus durchgeführt. Warum?
Carsten Koehnen: Die Veranstaltungsreihe lief von September 2015 bis Januar 2016. Sie ist also gerade erst beendet worden und die Auswertung der einzelnen Veranstaltungen bzw. der gesamten Reihe läuft noch.
Grundsätzlich kann man sagen: Themen- oder Schwerpunktreihen haben bei uns wie bei vielen anderen Volkshochschulen eine lange Tradition. In einem intensiven Planungsprozess diskutiert man in Frage kommende Themenschwerpunkte, die sich oft an aktuellen gesellschaftlichen Fragestellungen orientieren und die so breit angelegt sein müssen, dass sich aus ihnen Angebote aus möglichst vielen Fachbereichen generieren lassen. Volkshochschulen machen auf diese Weise die unglaubliche Themenvielfalt, die es bei ihnen gibt, sozusagen „(be-) greifbar“ und sie weiten gerade durch die Fokussierung den Blick wieder für eben jene gerade genannte Vielfalt und Bandbreite.
Wie kann man sich diese Veranstaltungsreihe konkret vorstellen?
Carsten Koehnen: Bei unserer Themenreihe handelte es sich um insgesamt neun Veranstaltungen, also Seminare, Workshops und Vorträge, die wir mit der inhaltlichen Klammer „Wie wollen wir…leben?“ versehen haben. Den Auftakt hat der groß angelegte Bürgerdialog „Gut leben in Deutschland“ gemacht, er hat sozusagen die Steilvorlage für alle weiteren Veranstaltungen geliefert, die wir dann in der Folge in unterschiedlicher Intensität und mit wechselnden Perspektiven für die Bürgerinnen und Bürger vor Ort angeboten haben.
Wer waren die Teilnehmer, wie wurden sie ausgewählt?
Carsten Koehnen: Die Teilnehmer kamen aus der breiten Öffentlichkeit, denn die vhs ist laut unserem Leitbild „ein Ort der Begegnung aller Generationen und Kulturen“.
Für den Bürgerdialog wurden zusätzlich ausgewählte Zielgruppen über die Kooperationspartner, die Stadtverwaltung Oberursel (Bürger/innen) und eine Berufsschule (Schüler/innen), direkt angesprochen.
Wie sind Sie auf die Idee gekommen?
Carsten Koehnen: Die Bewerbung zur Durchführung des Bürgerdialogs ‚Gut leben in Deutschland‘ hat letztlich den Anstoß gegeben, das Thema als Semesterschwerpunkt aufzugreifen. Mit diesem Schwerpunktthema hat die vhs Hochtaunus ein – wie wir finden – elementares, die Menschen tief berührendes Bedürfnis aufgegriffen. Es ging um die Kernfrage, wie wir Menschen leben wollen, welche Vorstellungen wir von einem erfüllenden und erfüllten Leben haben, welche Ziele wir ins Auge fassen und an welchen Themen wir arbeiten wollen, um diese Welt eventuell ein Stückchen besser zu machen.
Ein großes Thema, das wir in diesem halben Jahr natürlich nur anreißen konnten. Doch wir glauben, dass die Auswahl der Themen, die wir vorgenommen haben, einen guten Überblick geliefert hat. Wir haben– um nur einige Beispiele zu nennen – gemeinsam die Chancen, aber auch die Risiken der technischen und digitalen „Revolution“ erörtert, wir haben Raum gegeben für eine Diskussion um die Kernaspekte "modern" Erziehung, wir haben darüber geredet, wie wir künftig arbeiten werden/wollen (Stichwort Industrie 4.0) und wir haben einen Experten zu Wort kommen lassen bei der Frage, wie es eine Gesellschaft schafft, zunehmenden Radikalisierungstendenzen junger Menschen adäquat zu begegnen.
Was haben Sie sich davon versprochen? Waren Sie mit den Veranstaltungen zufrieden?
Carsten Koehnen: Wie gesagt, die Auswertung läuft noch, aber grundsätzlich kann man schon sagen, dass wir mit der Resonanz weitgehend zufrieden sind. Das gilt nicht für alle Themen, aber ich denke, wir haben mit der Auswahl insgesamt den richtigen Riecher gehabt.
Unser Ziel war es, und ich denke, das ist uns auch gelungen, eine breitere Diskussion auf regionaler bzw. lokaler Ebene anzustoßen über Fragen, die die Lebensqualität der Bürgerinnen und Bürger unmittelbar vor Ort in unterschiedlichen Kontexten betreffen. Es war und ist uns wichtig, die vhs in unserem Einzugsbereich als neutrales Diskussionsforum zu platzieren und hinreichend Gelegenheit zum Austausch und zur Orientierung zu geben. Insbesondere liegt es in unserem Interesse, die Bürger/innen und die (Lokal-) Politik zusammen zu bringen und Themen aktiv zu setzen.
Sie haben im Rahmen des Bürgerdialogs im vergangenen Jahr eine Dialogveranstaltung durchgeführt. Wie war die Resonanz, konnten Sie die Ergebnisse schon für sich nutzen?
Carsten Koehnen: Das Interesse und die Diskussionsbereitschaft zum Thema „Gut leben in Deutschland – was uns wichtig ist“ war im Hochtaunuskreis sehr hoch. Etwa achtzig Besucher diskutierten im September intensiv darüber, was Lebensqualität für sie bedeutet. Überhaupt sind die Erfahrungen, die Volkshochschulen bei Bürgerdialogen in den letzten Jahren gemacht haben, sehr positiv. Wenn sich die Politik für die Meinungen der Bürgerinnen und Bürger interessiert, dann interessieren sich diese auch wieder für Politik.
Was ist für Sie persönlich gutes Leben?
Carsten Koehnen: Für mich heißt das zunächst und vor allem, in einem Land leben zu dürfen, das seit mehr als 70 Jahren ohne Krieg ist, in meinem kleinen Kosmos sicher und selbstbestimmt agieren zu können, meine Familie und Menschen an meiner Seite zu wissen, die mir wichtig sind und denen ich etwas bedeute. Das wird einem gegenwärtig umso bewusster, je mehr man Schicksale von Menschen hautnah miterlebt, die Hals über Kopf aus ihrer Heimat flüchten müssen.
Es gehört für mich aber auch dazu, eine berufliche Aufgabe zu haben, die einen erfüllt und an der man wachsen und sich weiter entwickeln kann. Und nicht zuletzt ist es geradezu elementar, in all dem, was man tut, auch einen Sinn zu erkennen.
Und was bedeutet für Sie Lebensqualität in Deutschland?
Carsten Koehnen: Wie gesagt, in einem Land ohne Krieg leben zu dürfen, ist für mich die Grundvoraussetzung für Lebensqualität; in einem Land zu leben, in dem Respekt, Offenheit und Toleranz im täglichen Miteinander nicht die Ausnahme, sondern die Regel ist. Es bedeutet aber auch, allen Menschen die gleichen Bildungs- und Zukunftschancen zu eröffnen, gleich welcher Herkunft oder welchen Milieus. Für mich als Leiter einer Bildungseinrichtung ist es kaum zu ertragen, dass die Beteiligung an Bildung/Weiterbildung nicht zuletzt eine Frage des Geldes und der sozialen Zugehörigkeit ist.
Lebensqualität heißt, in einem Land leben zu dürfen, das einem viele Freiheiten und Möglichkeiten zur Entfaltung gibt, das mit seiner großen kulturellen Vielfalt den Menschen eine Identität gibt und das sich darum kümmert, dass die Schere zwischen Arm und Reich wieder kleiner wird. Es heißt weiter, die Grenzen des Wachstums anzuerkennen und sich stattdessen um ein ökologisches Gleichgewicht zu bemühen, das die Lebensgrundlage für die nachfolgenden Generationen darstellt.
Kommentare: 1
Wunderbar, darum geht es doch. Der Bürgerdialog sollte Anstoß geben für weitere Dialoge und Projekte, gerne hier auch in dieser Runde. "Wie wollen wir.... leben", das ist doch eine konkrete Fortsetzung zu dem "Gut leben.....".
Hier können sich hoffentlich noch mehr Menschen einbringen, die nun klar schreiben oder sagen sollten, wie sie leben wollen, was sie in und von der Zukunft erwarten. Hier sollte man von Seiten der Macher des Bürgerdialoges vielleicht auch ansetzen, weiter aufbauen, zu bestimmten Themenbereichen vielleicht, "wie wollen wir....leben, wie wollen wir...die Probleme der Gegenwart und Zukunft meistern...", "wie wollen wir eine humanere und gerechtere Gesellschaft herstellen....", "wie wollen oder könnten wir besser Mensch sein wollen und bleiben und nicht nur funktionieren in Beruf und Gesellschaft..."...man könnte das fortsetzen.
Vielleicht wird aus dem Bürgerdialog ein Zukunftsdialog zwischen Normalbürgern und Politikern, Managern etc. Gruß- Uwe, ich bin dabei !