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Dialogveranstaltung "Gut leben auf dem Land" in Jatznick

Bei der neunten Station des Bürgerdialogs "Gut leben auf dem Land – was uns wichtig ist" hat die Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft, Dr. Maria Flachsbarth, am 23. Oktober 2015 die Gemeinde Jatznick im Landkreis Vorpommern-Greifswald besucht.

Veröffentlicht:28.10.2015 Kommentare: 0

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Bevor die Staatssekretärin an der Dialogveranstaltung teilnahm, besuchte sie zunächst den Ortsteil Blumenhagen, der seit einer Fusion 2012 zur Gemeinde Jatznick gehört. Die Fusion habe den Ortsteil finanziell wieder handlungsfähig gemacht, berichtete Peter Fischer, der ehrenamtliche Bürgermeister der Gemeinde, im frisch sanierten Gemeinschaftshaus von Blumenhagen. Dass Blumenhagen trotz Fusion sein Gemeinschaftshaus, die Kita und die Freiwillige Feuerwehr behält, sei wichtig für die Identifikation der Bewohner mit ihrem Ortsteil und auch für die Daseinsvorsorge in der dünnbesiedelten Gegend mit weit auseinander liegenden kleinen Dörfern.

In Jatznick, dem Hauptort der Gemeinde, besuchte die Parlamentarische Staatssekretärin die Kita Gänseblümchen, die für junge Familien und für den Zusammenhalt im Ort eine große Bedeutung hat. Das Besondere an der Kita: Ein Trägerverein aus Erzieherinnen und Eltern verwaltet die Kita ehrenamtlich. "Wir machen das für unseren Ort", so Kitaleiterin Christina Nitschke. Von der Kita ging es zu Fuß zum Veranstaltungsort, vorbei am Ortskern mit Dorfladen, Bäcker, Drogerie, Arzt und der von Schließung bedrohten Sparkassenfiliale. Beim Rundgang informierte Bürgermeister Fischer die Parlamentarische Staatssekretärin über Themen wie Nahversorgung, Leerstand und die Finanzlage der Kommune.

Dialog zum Leben im ländlichen Raum

Im Veranstaltungsraum neben der ehemaligen Realschule erarbeiteten derweil 28 Bürgerinnen und Bürger in einem Workshop die für Jatznick wichtigsten Handlungsfelder, um auch in Zukunft gut auf dem Land leben zu können. Zum Workshop eingeladen worden waren Bürgerinnen und Bürger, die einen repräsentativen Querschnitt der Gemeinde bilden. Als Experten des täglichen Lebens ihrer Gemeinde hatten sie Gelegenheit, Maria Flachsbarth ihre Sorgen und Hoffnungen, aber auch ihre Zukunftsvorstellungen eines Lebens im ländlichen Raum vorzustellen. Als zentrale Handlungsfelder benannten die Jatznicker Teilnehmer die Themen "Ärztemangel", "Verkehrsanbindung und Verkehrslärm", "Angebote für Jugendliche" und "Einkaufsmöglichkeiten".

In der engagierten Diskussion ging es unter anderem um die nicht ausreichenden Budgets der Landärzte. Ein Jatznicker brachte das aus DDR-Zeiten bewährte Modell der Gemeindekrankenschwester auf den Tisch: "Ist das nicht vielleicht sogar billiger als ein mobiler Pflegedienst?" Frau Dr. Flachsbarth versprach, diese Frage ebenso in ihren Koffer nach Berlin zu packen wie den Wunsch nach einem qualifizierten, hauptamtlichen Jugendarbeiter, da man von Ehrenamtlichen die oft schwierige und verantwortungsvolle Aufgabe der Jugendbetreuung nicht erwarten könne.

Weiteres Thema war die Absenkung von Standards, um so im ländlichen Raum unkompliziert Dinge in Gang setzen zu können. Eine Bürgerin berichtete, dass die lokale Pizzeria die Idee, Außenplätze einzurichten, verwarf, weil infolge der hohen Auflagen Investitionen in Höhe von 5.000 Euro erforderlich gewesen wären. Bürokratische Wege seien oft so lang, dass die Leute aufgeben.

Ein Teilnehmer fragte: "Bei uns werden die Gelder für Jugend und Soziales immer nur gekürzt, jetzt kommen die Flüchtlinge nach Deutschland – und plötzlich werden Milliarden losgetreten. Wie kann das denn sein?" Die Staatssekretärin zeigte Verständnis für die Sorgen der Menschen angesichts der großen Zahl Schutzsuchender. Sie stellte aber klar, dass es die Pflicht Deutschlands sei, jenen zu helfen, die vor Krieg und Gewalt fliehen mussten. Ebenso wichtig sei die Bekämpfung der Fluchtursachen. Dr. Flachsbarth erinnerte auch an die Situation der Wiedervereinigung, als sich im Westen Deutschlands viele Menschen gesorgt hätten, ob diese zu bewältigen sei. "Auch damals haben sich viele gefragt: ‘Wer soll das denn alles bezahlen?‘ Und heute sind wir alle froh, dass wir diese Aufgabe so mutig angepackt haben", erklärte Frau Dr. Flachsbarth. Ein Teilnehmer pflichtete der Staatssekretärin bei und forderte: "Wir brauchen mehr Aufklärung über die Flüchtlingssituation, um der rechten Hetze Fakten entgegen setzen zu können."

Weitere Diskussionsthemen waren das hohe Verkehrsaufkommen in Jatznik durch die nach Usedom führende B 109, die Belastungen durch Windräder in Ortsnähe, die Öffnungszeiten des Dorfladens und Auflagen z.B. des Denkmalschutzes, die den Umgang mit manchem leerstehenden Gebäude verkomplizieren.

In ihrer Schlussrede dankte die Staatssekretärin den Jatznickern für die engagierte Diskussion. "Aus Beschwerden entsteht kein neuen Förderprogramm, aus guten Ideen schon eher," so die Staatssekretärin. Sie griff in ihrem Schluss-Statement auch das Schul- und Kitathema auf, das ihr in der Diskussion etwas zu kurz gekommen war: "Es ist doch erstaunlich, dass Sie zwei Kitas und eine Grundschule haben. Dazu zwei Schützenvereine und viel weiteres ehrenamtliches Engagement. Das ist großartig, bewahren Sie sich das."

Bürgerdialog der Bundesregierung

Jatznick ist einer von zehn Dialogorten des BMEL. Die Gemeinde Jatznick liegt in Vorpommern an der Bundesstraße nach Usedom. Durch mehrere Fusionen hat sie inzwischen sieben Ortsteile. In der Gemeinde Jatznick leben gut 2.300 Einwohner, 1995 waren es noch 3.000. Der demografische Wandel ist in dem ehemaligen Industriedorf mit hoher Arbeitslosigkeit deutlich zu spüren.