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Die Community fragt: Sigmar Gabriel antwortet

Zu den Wirtschaftsthemen, die die Community bewegen, gehören unter anderem die Förderung von kleinen und mittleren Betreiben und Startups, das Freihandelsabkommen TTIP und Wirtschaftswachstum. Sigmar Gabriel, Bundesminister für Wirtschaft und Energie, beantwortet Fragen aus der Community.

Veröffentlicht:23.09.2015 Kommentare: 0

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Viele Menschen machen sich ganz allgemein Gedanken über das Thema Wachstum und die Ausprägung des Wirtschaftssystems. Gemini schreibt: "Der Mensch steht im Mittelpunkt. Die Wirtschaft ist Mittel zum Zweck, nicht Selbstzweck." Hirmer schreibt: "Die derzeitige kapitalistische Wirtschaft mit ihrem permanenten Wachstumszwang ist nicht zukunftsfähig. Die stofflichen Grenzen des Wachstums sind bereits überschritten." Kana: "Ich möchte nicht, dass in unserer Gesellschaft und Wirtschaft immer nur Profit zählt und die eigentliche Macht bei Großkonzernen und Banken liegt." matmax.z: "Auch ist mir eine freie Marktwirtschaft sehr wichtig, da sie uns den heutigen Lebensstandard ermöglicht. Trotzdem sollte das Wirtschaftssystem nicht von Banken, sondern vom Staat gelenkt werden […]"
Was antworten Sie auf die Einwände und Sorgen der Bürgerinnen und Bürger?

Sigmar Gabriel: Meiner Meinung nach sollte Wirtschaftspolitik immer das Wohl der ganzen Gesellschaft im Blick behalten und nicht nur einzelne Interessen bedienen, das ist zumindest meine Leitlinie als Bundeswirtschaftsminister. Deutschland verfolgt das Erfolgsmodell der Sozialen Marktwirtschaft, in der alle Bürgerinnen und Bürger Wohlstand und soziale Sicherheit erreichen sollen. Hier stehen also neben innovativen und wettbewerbsfähigen Unternehmen vor allem der Wohlstandszuwachs sowie gute Arbeitsbedingungen für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Vordergrund. Das Ziel unseres Wirtschaftssystems ist es, stabile, soziale, gerechte und faire Rahmenbedingungen für unsere Gesellschaft zu schaffen. Unsere an den Prinzipien der Sozialen Marktwirtschaft ausgerichtete Politik hat sich gerade in schwierigen Phasen der wirtschaftlichen Entwicklung bewährt. Spätestens seit den Erfahrungen der Finanzkrise von 2008muss allen klar sein, dass Regellosigkeit bei den Finanzmärkten und Maßlosigkeit bei den Akteuren das System des Marktes zum Einsturz bringen können. Dem muss entsprechend entgegengewirkt werden, weshalb wir u.a. mit einer schärferen Haftung der Banken und ihrer Eigner bei Verlusten und der Eindämmung spekulativer Finanzmarktaktivitäten antworten. Mit unserer zukunftsgerichteten Wirtschaftspolitik wollen wir dauerhafte Perspektiven für mehr Beschäftigung, Investitionen und Wachstum am Standort Deutschland sicheren.

Zu einer modernen Industrienationen wie Deutschland gehört auch der Umbau unseres Energiesystems. Die Energiewende ist unser Weg in eine sichere, umweltverträgliche und wirtschaftlich erfolgreiche Zukunft. Deshalb gilt es vor allem den Energiebedarf aus erneuerbaren Energien zu decken, das heißt anstelle von Öl, Kohle und Gas regenerative Energien und nachwachsende Rohstoffe zu nutzen. Das macht uns auch unabhängige von Rohstofflieferungen aus dem Ausland. Auf diesem Weg haben wir schon viel erreicht: Inzwischen stammt bereits ein Viertel unseres Stroms aus Wind, Sonne oder Biomasse. Und unsere Energie wird aber nicht nur immer "grüner", wir verbrauchen sie auch immer sparsamer und effizienter. Deutsche Unternehmen spielen hier eine herausragende Rolle – und schaffen so zahlreiche Arbeitsplätze – nicht zuletzt kann Deutschland mit einer erfolgreichen Energiewende zu einem weltweiten Vorbild werden.

Unterstützung für kleine und mittelständische Betriebe

Ein weiterer inhaltlicher Schwerpunkt ist die Förderung von KMU und Startups. Lux schreibt: "Ich bin auch für mehr Unterstützung der kleinen Betriebe. Die sich Mühe geben und uns Verbrauchern nichts vorlügen." Flemming Koopmann: "wichtig ist es in deutschland das der mittelstand […] wieder richtig verdient!" mimquadrat: "Und mehr Freiheit für kleine und mittelständische Unternehmen (auch startups) würde evtl auch gut tun." Moritz_P_K: "Unbedingte Förderung von Unternehmensgründern mit neuen Ideen für einen vielfältigen Markt"
Wie fördert die Bundesregierung KMU und Start-ups bereits jetzt?

Sigmar Gabriel: Aus zukunftsfähigen Geschäftsideen sollen erfolgreiche Unternehmen entstehen und der künftige Erfolg kleiner und mittlerer Unternehmen muss gesichert werden – deshalb unterstützt die Bundesregierung diese schon jetzt mit zahlreichen Programmen.
Start-ups sind wichtig für Innovationen und eine erfolgreiche Digitalisierung unserer Wirtschaft. Unser Ziel ist es, Deutschland als Investitionsstandort international wettbewerbsfähig zu gestalten. Um junge Unternehmen zu fördern startete im Mai 2013 beispielsweise das Programm INVEST, das wir seit kurzem nochmal ausgebaut haben. Dabei werden junge Unternehmen bei der Suche nach einer Kapitalgeberin oder einem Kapitalgeber unterstützt und private Investoren motiviert für diese Unternehmen zur Verfügung zu stellen.

Der Mittelstand in Deutschland ist vielfältig und bildet das Herz unserer Wirtschaft. Politik für den Mittelstand sichert den wirtschaftlichen Erfolg – durch Innovationsförderung, Beratung, Finanzierungshilfen und Maßnahmen zum Bürokratieabbau. Um kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) oder Freiberuflerinnen und Freiberufler zu begünstigen, steht beispielsweise der KfW-Unternehmerkredit Plus zur Verfügung. Mit diesem fördert die KfW-Bankengruppe im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums zinsgünstig langfristige Vorhaben im In- und Ausland, wie zum Beispiel den Erwerb von Grundstücken und Gebäuden oder von Maschinen und Fahrzeugen.

Gerade im Hinblick auf KMU stellen zudem Freihandelsinitiativen wie CETA und TTIP großartige Chancen dar, um neue Absatzmärkte zu erschließen. Entsprechend engagiert setzt sich die Bundesregierung für mehr, aber gleichzeitig gerechten Freihandel mit hohen Verbraucherschutz- und Umweltstandards ein.

Dies sind nur einige der vielfältigen Beispiele der Förderung von Startups und kleiner und mittlerer Unternehmen durch die Bundesregierung.

Kritik am Freihandelsabkommen TTIP

Breiten Raum nehmen die Freihandelsabkommen TTIP und CETA ein. Seppi6 beispielsweise schreibt: "Auch das für mich sehr intransparent verhandelte Handelsabkommen TTIP schürt Unsicherheit, weil keiner so recht weiß was da eigentlich auf uns zukommt." KS schreibt: "Im Falle von TTIP könnte ich das Gefühl bekommen, dass hier wirtschaftliches Interesse über einige der demokratischen und humanitären Werte gestellt wird." hedda könig: "Das Freihandelsabkommen macht vielen Angst wegen der Nahrungsmittel […] und vielem anderen mehr …" Tobtab: "Die Verhandlungen um TTIP müssen beendet werden. Es ist ein Abkommen das nur der Industrie nutzt und nicht den Bürgern." wolkla: "Um unsere gute Lebensqualität in Deutschland zu halten sollte TTIP/CETA und ähnliches verhindert werden."
Was antworten Sie den Gegnern des Abkommens?

Sigmar Gabriel: Deutschland ist eine sehr erfolgreiche Exportnation. Hierzulande hängt jeder dritte Arbeitsplatz vom Außenhandel ab, in der Industrie sogar jeder zweite. Wenn also bei uns "die Industrie" durch bessere Exportmöglichkeiten profitiert, bedeutet dies folglich auch, dass Arbeitnehmer und Arbeitssuchende profitieren, indem Arbeitsplätze gesichert oder geschaffen werden. Moderne und ambitionierte Freihandelsabkommen bedeuten Wachstum und Arbeitsplätze für Europa, speziell auch für Deutschland. In den Abkommen liegt die Chance, dass Deutschland und Europa weltweit hohe Standards durchsetzen können. Insbesondere in Asien wird das Netz bilateraler Handelsabkommen immer dichter gezogen. Mit den Verhandlungen über ein Abkommen mit Kanada (CETA) und den USA (TTIP) besteht für uns die einmalige Chance, die Globalisierung aktiv mitzugestalten – und zwar nach unseren hohen Schutz-Standards. Es geht darum, Handelsbarrieren zwischen der EU und den USA bzw. Kanada abzubauen und die Märkte auf beiden Seiten des Atlantiks zu öffnen. Das hat auch für alle Bürgerinnen und Bürger Vorteile: nämlich geringere Warenpreise, eine größere Produktvielfalt und mehr Arbeitsplätze. Denn durch den Abbau bürokratischer Hindernisse und Zölle sparen die Unternehmen Kosten und können so die Preise senken. Die niedrigeren Warenpreise würden letztlich zu mehr Geld im Portemonnaie jedes Einzelnen führen. Bedauerlicherweise ist die Debatte über diese Abkommen häufig von Vorurteilen oder Missverständnissen, manchmal sogar gezielte Desinformation geprägt. Unser Ziel ist es deshalb, durch umfassende Information und Aufklärung sowie Transparenz über die jeweiligen, aktuellen Verhandlungsinhalte Sachlichkeit in die Debatte zu bringen und Ängste und Mythen abzubauen.

Den Bedenken um die demokratische Legitimität von TTIP und die Bedrohung demokratischer Werte durch das Abkommen möchte ich Folgendes entgegenhalten: Nach Abschluss des Vertragstextes müssen das Europäische Parlament, sämtliche EU-Regierungen und alle vom Volk direkt gewählten nationalen Parlamente TTIP zustimmen. Ich halte es für ausgeschlossen, dass all diese Institutionen sich selbst entmachten und einem Abkommen zustimmen würden, das Verbrauchs-, Umwelt-, und Arbeitnehmerschutzvereinbarungen aushebelt. Im Gegenteil. Auch die Bundesregierung würde einem Abkommen nicht zustimmen, das die Rechte und Schutzstandards für Arbeiternehmer und Verbraucher absenken und demokratisch legitimierte Prozesse untergraben würde. Bei keinem der Themen, über die derzeit mit den USA verhandelt wird, steht das bestehende Schutzniveau im Gesundheits-, Lebensmittel- oder Verbraucherbereich zur Disposition. Die EU wird keines ihrer grundlegenden Gesetze zum Schutz von Menschen, Tieren oder Umwelt aufheben. Um es ganz deutlich zu sagen: Kein Freihandelsabkommen der Welt kann geltende Gesetze in Deutschland ändern. Vielmehr geht es darum, unterschiedliche Normen und Zulassungsverfahren überall dort anzunähern, wo sich ohne Abstriche z.B. beim Verbraucherschutz bürokratische Hemmnisse reduzieren lassen.

Wunsch nach mehr Transparenz beim Thema Lobbyismus

Viele der Befragten äußern sich zum Thema Lobbyismus, etwa Robert78: "Um gut zu leben, wünsche ich mir eine Regierung, die sich einer sozialen Marktwirtschaft verschreibt und sozialen Gefällen entgegenwirkt, anstatt Lobbyisten zu folgen." Haldor: "Die Lobbys vieler Industriezweige habe einen starken Einfluss auf Gesetzgebung und Politik, ohne dass ihr Einwirken und ihre Mitarbeit ersichtlich ist. Dabei ist es nicht grundsätzlich falsch sich von Experten beraten zu lassen, nur muss für jeden ersichtlich sein, wer wann wobei und in welchem Umfang beteiligt war." Erdkabel: "Die Politiker lassen sich von der Industrie lenken […]"
Was leisten Lobbyisten in der Wirtschaftspolitik, wo hat ihre Arbeit Grenzen, und wie kann die Beratung durch Experten gelingen?

Sigmar Gabriel: In der Tat hat Lobbyismus an sich zunächst einmal zwei Seiten. Auf der einen kann es sich um einen simplen Beratungsvorgang handeln, bei dem Experten aus der Wirtschaft Politikern Sachverhalte erklären und die Folgen möglicher Entscheidungen erläutern. Auf diesen Sachverstand möchte und kann auch die Politik nicht verzichten, da bei der Fülle an Themen manchmal externe Expertise hilfreich ist. Zudem bin ich der Meinung, dass es zur Pflicht der Politik gehört, Meinungen von verschiedenen Seiten einzuholen, um ein Für und Wider besser abwägen zu können. Auf der anderen Seite steht Lobbyismus natürlich auch für den Versuch der Einflussnahme von Interessensverbänden auf politische Entscheidungsprozesse. Übrigens versuchen nicht nur mächtige Industrie- und Finanzverbände Entscheidungen zu ihren Gunsten zu beeinflussen, sondern auch etwa Gewerkschaften, Umweltschutzorganisationen und Sozialverbände. Dies ist natürlich jeweils ihr gutes Recht. Aber umso mehr gilt es für die gewählten Volksvertreter zum Wohle des Souveräns und nicht von Einzelinteressen zu handeln. Hier liegt die eindeutige Grenze von Lobbyismus in der Wirtschaftspolitik.

Dies ist der Maßstab meiner Politik und der meiner Partei. Mein Ziel ist es, den Alltag der Menschen in Deutschland ein bisschen besser zu machen, ihnen zuzuhören und für ihre Probleme geeignete Lösungen zu finden. Ein gutes Beispiel hierfür ist die Einführung des gesetzlichen Mindestlohns Anfang des Jahres. Trotz massiver Widerstände von gut organisierten Interessen haben wir dieses Projekt mit großer politischer Mehrheit durchgesetzt– für mich eine der großen sozialen Errungenschaften in der Bundesrepublik in den vergangenen Jahrzehnten. Auch beim Thema Netzausbau gehen wir auf die Sorgen der Menschen ein, gerade deshalb ermöglichen wir ja Erdkabel bei neuen Stromtrassen statt Freileitungen, da wir die Akzeptanz der Bevölkerung bei unserer Energiewende wollen und brauchen.