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Haferflocken mit Zimt und Zucker

Quyen Truong Thi Ngoc (24) ist eine von 19 Vietnamesinnen und Vietnamesen, die derzeit in Berlin im Forum für Senioren und am Institut für berufliche Bildung im Gesundheitswesen der Vivantes GmbH zu Altenpflegern ausgebildet werden. Sie ist im Rahmen eines Pilotprojekts des Bundesministeriums für Wirt-schaft und Energie (BMWi) zur Gewinnung von Ausbildungskräften in der Altenpflegewirtschaft nach Deutschland gekommen – und das hat gleich drei Vorteile.

Veröffentlicht:14.06.2015 Schlagworte: Gesundheit Kommentare: 4

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Kaum hat die Lehrerin eine Frage gestellt, schnellen die Finger in die Höhe. Im Institut für berufliche Bildung im Gesundheitswesen (IbBG) wird konzentriert gearbeitet. Das muss auch so sein, denn hier wird wichtiges Wissen vermittelt. Wissen, dass sich die 19 vietnamesischen Auszubildenden unbedingt aneignen wollen. Die 17 Frauen und zwei Männer im Alter von 24 bis 27 Jahren kamen im Oktober 2013 nach Deutschland, um eine Ausbildung als Altenpfleger zu absolvieren. Quyen ist eine von ihnen. Sie ist Teil des Pilotprojekts "Gewinnung von Kräften zur Ausbildung in der Altenpflege" des BMWi, das von der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) und der Zentralen Auslands- und Fachvermittlung (ZAV) der Bundesagentur für Arbeit umgesetzt wird.

Trotz Ausbildungsrekord fehlen weitere Pflegekräfte

Das Projekt hat sich zum Ziel gesetzt, jungen Menschen aus dem Ausland eine qualifizierte Altenpflegeausbildung in der Pflege zu ermöglichen. Zwar gibt es in Deutschland aktuell einen Ausbildungsrekord in den Pflegeberufen – mit über 129.000 Pflegeschülern sind es mehr Auszubildende als jemals zuvor. Das ist ein gutes Zeichen, dennoch fehlen weitere Pflegekräfte. Auch deswegen sind junge Menschen aus dem Ausland, die hier eine Pflegeausbildung machen, sehr willkommen. Im Oktober 2013 sind rund 100 vietnamesische Auszubildende nach Bayern, Baden-Württemberg und Berlin gezogen. Sie werden zwei Jahre ausgebildet und können dort anschließend im gelernten Beruf arbeiten.

Sie alle werden mit offenen Armen empfangen. Denn in Deutschland fehlen 30.000 ausgebildete Pflegefachkräfte. "In den nächsten fünf Jahren werden weitere 75.000 fehlen. Das liegt an der alternden Gesellschaft und daran, dass viele Pflegekräfte in den Ruhestand gehen", erklärt Thomas Greiner, Präsident vom Arbeitgeberverband Pflege. Menschen wie Quyen werden also händeringend gesucht. Sie tragen zur Lebensqualität der pflegebedürftigen Menschen bei und leisten damit einen wichtigen gesellschaftlichen Beitrag.

Ein neues Leben aufbauen

Im IbBG wird weiter gepaukt. "Welche körperlichen Symptome haben wir Menschen, wenn wir Angst verspüren?", fragt Angela Hendrych. Die diplomierte Pflegepädagogin leitet heute den Unterricht. Die Arbeit macht ihr sichtlich Spaß. Sie ist Bereichsleiterin der Schulentwicklung für den Fachbereich Sozialassistenz/Pflege und Ansprechpartnerin für die Auszubildenden. Zudem unterrichtet sie die Lernfelder "Altenpflege als Beruf", "Berufliches Selbstverständnis" sowie "Konzepte und Modelle der Altenpflege". "Alle sind hochmotiviert, sie wollen sich integrieren und ein neues Leben aufbauen", sagt Angela Hendrych. Auch deswegen lobt sie alle Auszubildenden kurz vor Schulschluss. "Ich bin stolz auf Sie. Und Sie können stolz auf sich sein. Sie alle haben einen großen Sprung gemacht, sprechen sehr gut Deutsch und sind bestens für die Abschlussprüfung im September vorbereitet", sagt sie.

"Für mich ist das ein Abenteuer"

Nach Schulschluss steht Quyen an der Bushaltestelle. Ihr Ziel: Die Wohngemeinschaft im Bezirk Moabit, in der sie mit drei vietnamesischen Auszubildenden wohnt. Ihre Mitschüler hat sie bei einem sechsmonatigen Deutschkurs im Goethe-Institut in Hanoi kennen gelernt. Dieser Kurs war eine Voraussetzung für die dreijährige Ausbildung, die Quyen um ein Jahr verkürzen kann, denn in Vietnam hat sie als Krankenschwester gearbeitet und verfügt somit über Vorkenntnisse. "Ich habe in der Zeitung einen Artikel über das BMWi-Projekt gelesen und mich beworben", sagt sie. "Für mich ist das ein Abenteuer. Meine Eltern waren skeptisch, aber nun sind sie froh, dass ich hier bin und wichtige Erfahrungen sammeln kann", sagt Quyen und streicht sich durch die Haare. Sie ist die Zweitälteste von vier Schwestern. "Ich vermisse meine Familie sehr. Noch habe ich sie nicht in Vietnam besucht, aber wir skypen regelmäßig", sagt sie.

"Die Deutschen sind sehr hilfsbereit"

Trotz Heimweh macht Quyen durch ihre Ausbildung in Deutschland auch persönlich wichtige Erfahrungen. Ihre praktische Ausbildung absolviert sie in den stationären Pflegeeinrichtungen der Vivantes Forum für Senioren GmbH. Hier pflegt und versorgt sie ältere Menschen, die zum Beispiel an Demenz oder Parkinson erkrankt sind. Bei der Arbeit hat sie fast durchweg gute Erfahrungen gesammelt. Eine über 90-jährige Frau wollte sich von ihr nicht pflegen lassen. "Die Dame mag einfach keine Ausländer", sagt Quyen. Sie wirkt dabei nicht traurig oder verschreckt. "Es ist einfach so, manche Menschen kann man nicht mehr ändern. Aber sonst sind alle nett zu mir. Die Deutschen sind sehr hilfsbereit", findet sie. Quyen kann sich gut vorstellen, länger hier zu bleiben und eventuell irgendwann zu studieren.

Das Projekt ist für alle Beteiligten gewinnbringend, sozusagen eine Triple Win-Situation für Quyen, für pflegebedürftige Menschen und für die Pflegebranche. Auch unabhängig von der Ausbildung fühlt sie sich pudelwohl. "Besonders toll finde ich die Friedrichstraße mit all ihren Geschäften", sagt Quyen. Ihr gefällt, dass es überall so ordentlich ist. "Und ich mag deutsches Essen, am liebsten Kartoffelsalat. Und Haferflockensuppe mit Zimt und Zucker", stellt Quyen fest. Nur die kalten Wintermonate machen ihr zu schaffen. Ein Glück, dass der Frühling begonnen hat und der Sommer bevorsteht. In der sonnigen Jahreszeit wird sich einiges in ihrem Leben ändern: Quyen wird die Abschlussprüfung absolvieren, eine neue Wohnung suchen, den Führerschein machen und jede Menge Haferflockensuppe mit Zimt und Zucker essen.

Kommentar

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Kommentare: 4

  • Sie schreiben, daß Vietnamesinnen und Vietnamesen zu Altenpflegern ausgebildet werden. Müssen sich dazu die Vietnamesinnen einer Geschlechtsumwandlung unterziehen?

    Es ist schon schwierig, wenn man das generische Maskulinum negierten möchte, die sich daraus ergebenden Sprachungetüme aber nicht beherrscht.

  • Ich finde es selbstverständlich seine Angehörigen zu pflegen, denn gerade die eigenen Eltern aber oft auch Verwandte bereichern das Leben in jungen Tagen und das sollte im Alter nicht in Vergessenheit geraten, nur weil es oft anstrengend ist damit umzugehen. Diesbezüglich wünschte ich mir mehr politische Unterstützung im Bereich der häuslichen Pflege und der ehrenamtlichen Betreuung von Mitgliedern aus der eigenen Familie. Ich glaube es wäre nicht unbedingt teurer der privaten Pflege dieselben Möglichkeiten zu bieten, wie sie in der öffentlichen Pflege nutzbar sind. Der menschliche Faktor wird hier oft nach Gesichtspunkten gewichtet, die nicht unserem geltenden Recht auf Gleichberechtigung entsprechen und das finde ich nicht richtig. Eine gerechte Aufteilung der Pflege, unabhängig von den damit verbundenen Kosten sollte an 1. Stelle der politischen Ansprüche stehen, um daraus ein gerechtes System entstehen zu lassen, dass sich aus den Anforderungen heraus bildet und finanzierbar ist.

  • Mir ist es später egal, wer mich hoffentlich pflegen und betreuen wird, es sollen Menschen sein, die mich verstehen, mit Herz und Seele den Beruf ausüben können und davon auch gut leben können.
    So einfach sehe ich das, ich muss es mir leisten können, sozial abgesichert sein und möchte dann von netten Menschen, die deutsch verstehen und sprechen, betreut werden. Sicher sehen das viele andere auch so. Gruß- Uwe