"Häuslebauer und Kreditnehmer profitieren"
Der Leitzins ist derzeit auf einem Rekordtief. Aber was bedeutet das eigentlich für jeden einzelnen von uns? Ein Mehr an gutem Leben? Hermann-Josef Tenhagen, Chefredakteur des gemeinnützigen Online-Verbrauchermagazins Finanztip, gibt Antworten.
Quelle: Finanztip/Michael Kirsten
Herr Tenhagen, was ist eigentlich der Leitzins und warum ist er so wichtig?
H.-J. T.: Es gibt nicht nur einen Leitzins sondern eine ganze Reihe von Leitzinsen. Mit ihnen bestimmt die Europäische Zentralbank, zu welchen Bedingungen sich Banken bei ihr Geld leihen können. Der Leitzins, von dem in der öffentlichen Debatte immer gesprochen wird, ist der Hauptrefinanzierungssatz. Er liegt zurzeit bei 0,05 Prozent im Jahr. Sind die Leitzinsen niedrig, können Banken ihren Kunden auch zu niedrigen Zinsen Geld leihen. Sind die Leitzinsen hoch, wird es für Bankkunden teurer, Kredite aufzunehmen.
Warum ist der Leitzins derzeit denn so niedrig?
H.-J. T.: Die Europäische Zentralbank hat die Leitzinsen gesenkt, damit Banken ihren Kunden zu sehr niedrigen Zinsen Geld leihen und so die Wirtschaft im Euro-Raum ankurbeln können. Dabei geht es der Europäischen Zentralbank (EZB) aktuell nicht so sehr um die deutschen Bankkunden, sondern um Firmen und Verbraucher in Südeuropa. Dort sollen sich Kunden preiswert Geld leihen können, um in ihre Firmen zu investieren, Häuser zu bauen oder zu kaufen und zum Beispiel ein neues Auto oder ein Solardach zu erwerben. Formal beruft sich die EZB dabei auf ihre Aufgabe, die Inflation in der Nähe von langfristig vernünftigen zwei Prozent zu halten. Derzeit liegt sie nahe null Prozent. Wächst die Wirtschaft, können Preise eher steigen und sich dem Inflationsziel nähern.
Welche gesamtwirtschaftlichen Folgen hat das?
H.-J. T.: Die EZB hofft, so die Wirtschaft anzukurbeln und in ein ruhigeres Fahrwasser zu bringen. Außerdem will sie unbedingt eine Deflation vermeiden, also auf breiter Front fallende Preise. Solche fallenden Preise würden dafür sorgen, dass Kunden mit dem Kauf auf noch niedrigere Preise warten und so die Wirtschaft im Euroraum schrumpft, statt zu wachsen. Im ganzen Euroraum ist es durch die Zinspolitik preiswerter, Kredite aufzunehmen, und das Sparen lohnt sich weniger.
Was sind die positiven Aspekte für die Menschen in Deutschland?
H.-J. T.: Positiv aus der Sicht der Menschen in Deutschland sind die niedrigen Zinsen für Kredite, wenn man etwa eine Immobilie oder ein Auto kaufen will oder wenn eine Umschuldung für die Immobilie ansteht. Insgesamt ist es auch für Firmen auf dem deutschen Markt attraktiv, Geld zu leihen und damit zu investieren. Weil in Deutschland Millionen von Menschen in den vergangenen Jahren Arbeit gefunden haben, können Anbieter damit rechnen, dass Kunden auch mehr kaufen können.
Wie betrifft das jeden Einzelnen?
H.-J. T.: Häuslebauer und andere Kreditnehmer profitieren. Steuerzahler profitieren, weil auch der Staat ganz wenig Zinsen für die existierenden Schulden zahlen muss und deshalb die Steuern nicht erhöhen braucht oder gar senken kann. Sparer leiden unter den niedrigen Zinsen und müssen bei den Angeboten von Banken und Versicherungen noch genauer hinsehen. Außerdem haben die niedrigen Zinsen für einen schwächeren Euro gesorgt. Der hilft den Menschen, die in exportorientierten Firmen arbeiten, ihre Arbeitsplätze zu sichern und ärgert die Menschen, die ins Nicht-Euro-Ausland in Urlaub fahren. Denn dort wird es teurer. Mein Tipp: Fahren Sie dieses Jahr nach Griechenland. Es ist preiswert, sorgt für viel Sonne im Urlaub, nützt den Griechen und vielleicht sogar ganz Europa.
Wie kann der niedrige Leitzins die Lebensqualität der Bürgerinnen und Bürger verbessern?
H.-J. T.: Die niedrigen Leitzinsen verbessern die Lebensqualität, wenn die Menschen das Gefühl haben, dass sie wieder Arbeit finden oder ihre Arbeitsplätze sicher sind. Gleichzeitig können sie sich vielleicht tatsächlich ihr Traumauto oder ihre Traumimmobilie leisten. Sparern und Lebensversicherungskunden machen die niedrigen Zinsen aber durchaus schlaflose Nächte, weil sie nicht wissen, ob ihre Rücklagen im Alter reichen werden.
Kommentare: 11
Ein derart wichtiges und komplexes Thema so einseitig darzustellen wird dem Sachverhalt nicht gerecht. Ein Großteil unserer Sozialversicherungssysteme leiden massiv unter den niedrigen Zinsen. Neben dem demographischen Faktor ein weiterer Sargnagel auf die finanzielle Absicherung im Alter. Und wie erklärt sich der Wiederspruch, das gerade im südländische Raum mit seiner teilweise unverhältnismässigen Ausgabenpolitik die Konsumenten durch niedrige Zinsen dazu angehalten werden sollen, noch mehr Schulden zu machen?
Wer hat die Fragen gestellt? Durfte Herr Tenhagen nur auf diese Fragen antworten?
Der niedrige Leitzins ist also gut für uns, da wir ja alle permanent Hypotheken- oder Autokredite nachfragen! Die deutschen Bürger sind also hauptsächlich Schuldner?
Wer spart, Lebensversicherungen abschließt und , wie von der Politik gewünscht, für das Alter vorsorgt, ist in der Minderheit? Was ist mit den Häuslebauern, die vor 5 Jahren eine Hypothek abgeschlossen haben, deren Zinsen werden doch wohl kaum sinken?
Solch einseitigen Beitrag haben wir auch in diesen Werbeseiten nicht verdient!