Arbeitslosigkeit, Armut und soziale Isolierung beeinträchtigen Lebensqualität
Wie funktioniert Lebensqualitätsforschung? Der Sozialwissenschaftler Dr. Heinz-Herbert Noll ist Mitglied des wissenschaftlichen Beirates und beschäftigt sich seit vielen Jahren mit dem Thema.
Quelle: Bundesregierung/Loos
Lebensqualität ist ein interdisziplinäres Forschungsfeld. Wie sieht Lebensqualitätsforschung innerhalb der Soziologie aus?
Die Grenzen zwischen den Disziplinen sind auf diesem Gebiet durchlässig. Gleichwohl sind Soziologen primär an den gesellschaftlichen Voraussetzungen einer höheren oder niedrigeren Lebensqualität interessiert. Dazu zählen z.B. das Ausmaß der ökonomischen und sozialen Ungleichheit, Freiheits- und Partizipationsrechte, die Qualität gesellschaftlicher Institutionen und nicht zuletzt auch die Qualität des Regierungshandelns. Soziologen scheinen zudem objektivistische Konzepte von Lebensqualität zu bevorzugen. Andererseits war es eine Gruppe von Soziologen um Wolfgang Zapf, der ich übrigens auch angehörte, die in Deutschland schon sehr frühzeitig ein Verständnis von Lebensqualität geprägt und propagiert hat, das sowohl die objektiven Lebensumstände als auch das subjektive Wohlbefinden umfasst.
Welche Daten werden in Deutschland zur Lebensqualität erhoben?
Lebensqualität ist ein multidimensionales Konzept. Um die verschiedenen Dimensionen abzubilden, werden daher eine Vielzahl von Indikatoren und unterschiedliche Datenquellen benötigt, wie sie z.B. auch für die Indikatorensysteme zur langfristigen Beobachtung der Lebensqualität verwendet werden, die das Zentrum für Sozialindikatorenforschung von GESIS bereitstellt. Darüber hinaus gibt es spezielle Erhebungen zur Lebensqualität, wie es z.B. die zwischen 1978 und 1998 durchgeführten Wohlfahrtssurveys waren. Zahlreiche Indikatoren aus den Wohlfahrtssurveys werden inzwischen durch das SOEP abgedeckt. Zudem stehen mittlerweile gute europaweite Erhebungen für die vergleichende Lebensqualitätsforschung zur Verfügung, wie der „European Quality of Life Survey“ oder die „Erhebung zu Einkommen und Lebensbedingungen in der EU“.
Welche Hinweise geben Ihnen diese Daten? Was beeinflusst die Lebensqualität in Deutschland?
Wir wissen, dass den in Deutschland lebenden Menschen die Gesundheit, die Familie, aber auch ein auskömmliches Einkommen besonders wichtig sind. Darin sind sich übrigens alle Europäer weitgehend einig. Nimmt man die Lebenszufriedenheit als Maßstab, so haben wir eine Reihe von positiven und negativen Einflussfaktoren identifizieren können: Stark beeinträchtigt wird die Lebensqualität durch Arbeitslosigkeit, Armut, einen schlechten Gesundheitszustand und soziale Isolierung. Positive Einflussfaktoren sind dagegen ein gutes Einkommen, höhere Bildung, die Einbindung in Familien- und Freundschaftsnetzwerke und nicht zuletzt auch Vertrauen in gesellschaftliche Institutionen.
Lässt sich daraus ableiten, wie Staat und Politik Einfluss auf die Lebensqualität nehmen können?
Der Staat ist auf diesem Gebiet nur ein Akteur neben anderen, und es ist klar, dass es letztlich auch in der Verantwortung jedes einzelnen Bürgers liegt, dem eigenen Leben Qualität zu verleihen. Die Politik hat aber auf allen staatlichen Ebenen vielfältige Möglichkeiten die Lebensqualität der Bürger zu beeinflussen. Am erfolgversprechendsten dürfte es sein, an den gesellschaftlichen Voraussetzung für ein ‚gutes Leben‘ zu arbeiten. Die Regierung hat z.B. Einfluss auf die Regulierung des Arbeitsmarktes und die Qualität der Arbeitsbedingungen, sie kann durch ihre Renten- oder Gesundheitspolitik die soziale Sicherheit und die Gesundheitsversorgung gestalten, aber auch für Vertrauen in gesellschaftliche Institutionen sorgen, sie kann Gelegenheiten für Inklusion und politische Beteiligung schaffen, und sie kann auch soziale Ungleichheit und Ungerechtigkeit begrenzen oder sogar reduzieren, u.a. durch steuerpolitische Maßnahmen.
In welchen Bereichen sind dem staatlichen Handeln aus Ihrer Sicht Grenzen gesetzt?
Grenzen des staatlichen Handelns sehe ich insbesondere, wenn es um das subjektive Wohlbefinden als Komponente der Lebensqualität geht. Ich glaube nicht, dass es die Aufgabe von Staat und Politik ist, z.B. die Lebenszufriedenheit der Bürger zur Zielgröße ihres Handelns zu machen oder gar das Glück der Bevölkerung zu maximieren, abgesehen davon, dass ein solches Vorhaben kaum Aussicht auf Erfolg hätte.
Kommentare: 9
Hallo an alle Leidensgenossen,
Sehr wohl macht Armut Psychisch krank das äussert sich durch schlechte Laune und die Angst nicht mehr genug Geld zu haben um die nächsten Tage bis zum 1. sten eines Monats zu überstehen.
Langsam aber sicher machen sich auch Gedanken an Selbstmord breit weil man einfach nichts an diesem Systhem ändern kann bzw. nicht alleine.
Dann stellt sich mir die Frage soll es so die nächsten Jahre weiter gehen und wenn ja warum lebe ich eigentlich noch und für wen.
Es sollte eine neue Regierung gebildet werden die Armutskätten aufsprängt und dafür sorgt das Hartz4 abgeschafft wird.
Ausserdem sollte entlich mal das Bedingungslose Grundeinkommen durchgesetzt werden.
Mit den Wahlen erreicht man nichts die Armen Menschen müsten das System stürzen und neu besetzen.
Hallo,
vielen Dank für diesen tollen Beitrag. In der Tat ist es so, dass viele Arbeitslose isoliert leben. Das wirkt sich auf die Psyche aus und das wiederum kann ein Bewerbungsgespräch negativ beeinflussen.
LG
[Link von der Redaktion entsprechend den Regeln entfernt]
Es sollten die Kostenträger für staatliche Arbeitsmarktmaßnahmen viel mehr mit der Wirtschaft und Bildungsträgern zusammen arbeiten, den wirklichen Bedarf an Maßnahmen und deren Inhalte mit den möglichen Arbeitgebern in allen Bereichen abstimmen. Wir haben unter den Arbeitssuchenden, Arbeitslosen, auch Langzeitarbeitslosen viele arbeits- und lernwillige Menschen, die auf ihre Chance warten, diese suchen und auch nutzen wollen. Wir brauchen wirkliche Brücken direkt hinein in machbare Arbeit, hier sind Staat und Wirtschaft, alle Beteiligten am Arbeitsmarkt gefragt. Die Wirtschaft kann nicht nur über angeblich fehlende Fachleute klagen, aber für deren Gewinnung, aber auch Qualifizierung und Weiterbildung zu wenig oder nichts tun. Junge Menschen auch ohne Berufserfahrung müssen hinein kommen können in Arbeit, ebenso braucht man Jobs und Beschäftigung für menschen ab 50+. Das Rentenalter wurde doch erhöht, weil zu viel Arbeit auch für diese Menschen da sein soll! Gruß- Uwe