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Gab es Themen im Bürgerdialog, die Sie überrascht haben?

Dr. Heinz-Heribert Noll hat den Bürgerdialog "Gut leben in Deutschland" von Anfang an begleitet. Wir haben ihm mit Blick auf die Auswertung, die gerade in vollem Gange ist, einige Fragen gestellt.

Veröffentlicht:18.11.2015 Kommentare: 2

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Daten zeigen, dass Gesundheit, Familie und ein auskömmliches Einkommen den Menschen in Deutschland besonders wichtig sind. Das haben Sie zu Beginn des Bürgerdialogs berichtet. Inwiefern haben die vergangenen Monate das bestätigt bzw. nicht bestätigt?

Noch kennen wir ja die endgültigen Ergebnisse des Bürgerdialogs nicht, aber erste Vorauswertungen deuten darauf hin, dass die von mir genannten Bereiche auch in den Dialogveranstaltungen eine große Rolle gespielt haben. Das war übrigens auch in den Veranstaltungen der Fall, an denen ich persönlich teilgenommen habe. Allerdings würde es mich nicht wundern, wenn am Ende auch solche Bereiche weit vorne landen würden, auf die die Politik unmittelbaren Einfluss hat, wie z.B. innere und äußere Sicherheit, die Alterssicherung oder der politische Prozess und die Mitwirkungsmöglichkeiten der Bürgerinnen und Bürger. Allen, die am Dialog teilgenommen haben, war ja klar, dass es sich um eine Initiative der Bunderegierung handelt, und insofern werden hier andere Anreize gesetzt als z.B. bei Repräsentativbefragungen, auf deren Ergebnisse ich mich bezogen hatte.

Gab es Themen im Bürgerdialog, die Sie überrascht haben?

Da der Dialog im Grunde völlig offen war, ist – wie nicht anders zu erwarten – eine große Vielfalt von Themen angesprochen worden, darunter sicher auch einige, die man als exotisch oder gar marginal betrachten könnte. Sieht man aber davon einmal ab, hat mich überrascht, dass Aspekte der Grundordnung unseres Landes, wie Freiheit und Demokratie, von den Bürgerinnen und Bürgern offenbar nicht nur hoch geschätzt, sondern sehr häufig auch als unmittelbare Bestandteile ihrer Lebensqualität wahrgenommen werden. Erstaunlich ist vielleicht auch, dass soziale Beziehungen und Kontakte im Bürgerdialog anscheinend kein besonders großes Thema waren, obwohl wissenschaftliche Untersuchungen – nicht zuletzt auch die sogenannte Glücksforschung – immer wieder auf deren überragende Bedeutung für die Lebensqualität verweisen. Hier gilt aber ebenfalls das, was ich vorhin schon zum engen Politikbezug des Bürgerdialogs gesagt habe.

Politik und Gesellschaft brauchen bessere Informationen über das Wohlergehen der Bürgerinnen und Bürger, sagen Sie. Haben wir diese Informationen erhalten?

Nein, bisher haben die Bürgerinnen und Bürger artikuliert was ihnen persönlich und im Blick auf die Lebensqualität in Deutschland wichtig ist. Darüber hinaus haben sie auch die Gelegenheit wahrgenommen einmal auszusprechen, was ihnen an der Politik nicht gefällt und welche Erwartungen sie an die Politik in Berlin, aber auch auf den anderen Ebenen richten. Nun kommt es darauf an, die Ergebnisse des Bürgerdialogs sorgfältig auszuwerten und für die Entwicklung eines Indikatorensystems zur Beobachtung der Lebensqualität in Deutschland zu nutzen, das dann zukünftig hoffentlich die Informationen über das Wohlergehen der Bürgerinnen und Bürger liefern wird, die meines Erachtens dringend benötigt werden.

Auf Basis der Ergebnisse des Bürgerdialogs werden 2016 ein Bericht, ein Indikatoren-System und ein Aktionsplan erarbeitet, an dem sich politisches Handeln orientieren soll. Worauf muss Politik besonders achten, wenn sie das alles entwirft? Was raten Sie der Politik?

Was den Bericht zur Lebensqualität angeht, erscheint es mir wichtig, ihn nicht als einmaligen, sondern als einen zukünftig regelmäßig – vielleicht alle zwei oder vier Jahre – erscheinenden Report zu konzipieren. Ich würde mir zudem wünschen, dass die Berichterstattung ein hohes Maß an Unabhängigkeit demonstriert und ein möglichst ungeschminktes Bild der aktuellen Lebensqualität in unserem Land und ihrer Entwicklung zeichnet. Das zu entwickelnde Indikatorensystem sollte dafür nicht nur die zentrale Datenbasis liefern, sondern auch als Kompass fungieren, an dem die Politik ihr alltägliches Handeln ausrichtet. Sonst hat sich der große Aufwand nicht gelohnt. Und schließlich hoffe ich, dass sich die Bürgerinnen und Bürger, die am Dialog teilgenommen haben, in dem versprochenen politischen Aktionsplan zur Lebensqualität in Deutschland wiederfinden. Das käme nicht nur der Lebensqualität zu Gute, sondern auch der politischen Kultur in diesem Lande.

Kommentare: 2

  • Wohlergehen bedeutet ja auch, man darf mit weniger Sorgen und Ängsten leben, man kümmert sich darum seitens der Politik, des Staates und auch der Wirtschaft.
    Ich hoffe, dass dieser Bürgerdialog nicht nur ausgewertet wird, nur von wenigen Zuständigen gelesen wird, dann in Aktenlagen verschwindet, sondern dass sich damit die Politiker des Bundestages und die Regierung ernsthaft beschäftigen. Viele Fragen der Politiker und der Regierenden sind hier ja von den Mitmachern, den Akteuren hier angesprochen und beantwortet worden. Viele Festtagsgrüße- Uwe Mergel

  • Wohlergehen ist im Grunde genommen davon abhängig, wie man miteinander umgeht. Dabei unterscheiden sich öffentliches Interesse und Privatsphäre voneinander. Insbesondere am fehlenden Respekt im Umgang mit Menschen, die auf Unterstützung im Alltag angewiesen sind kann man sicher erkennen, wie es mit sozialer Hilfsbereitschaft in unserem Land aussieht. Beachtet man dann noch die Altersstruktur unserer Gesellschaft, so kann man meines Erachtens sehr viel über das Wohlergehen der Bürgerinnen und Bürger erfahren, denn Familien bauen auf Perspektiven und Wohlbefinden. Das Erreichen unserer psychischen Belastungsgrenzen sollte Gedanken über die offensichtlichen Grenzen anstoßen, die dem Menschen zu Grunde liegen. Anforderungen an Arbeitnehmer steigen in unerträglichem Maße indem die finanzielle Abhängigkeit oft für kapitalistische Anforderungen missbraucht wird. Gemeinwohl kann nur durch tägliche Arbeit am menschenwürdigen Umgang miteinander wachsen, indem die goldene Regel praktiziert wird.