Die Community fragt: Ursula von der Leyen antwortet
Sicherheit hat einen hohen Stellenwert für ein gutes Leben. Das Bundesministerium der Verteidigung leistet einen wichtigen Beitrag zur Sicherheit in Deutschland. Diese Auffassung teilen viele Bürgerinnen und Bürger, während einige andere die Bundeswehr für unnötig erachten.
empfehlen
Quelle: Bundeswehr / Hannemann
Nutzer Roth schreibt in seinem Beitrag: "Die Bundeswehr ist das Rückgrat unseres Landes. Oh-ne die Streitkräfte und deren Bündnispartner wäre es nicht möglich, unsere Demokratie und Staatsform zu erhalten." Andere Bürgerinnen und Bürger sind jedoch der Meinung, die Bundes-wehr solle abgeschafft und die dadurch frei werdenden Budgets besser woanders investiert wer-den. Warum braucht Deutschland die Bundeswehr?
Dr. Ursula von der Leyen: Ein wesentlicher Aspekt unserer Lebensqualität ist es, in Deutschland in Frieden und ohne Angst vor Krieg zu leben. Dass wir das können und dass das auch so bleibt, dazu trägt die Bundeswehr bei. Wir haben hier in Deutschland das große Glück, seit mehr als einem halben Jahrhundert in Frieden und in Freiheit zu leben. Für uns ist es selbstverständlich geworden, dass alles – ob Güter oder Informationen – überall und zu jeder Zeit verfügbar sind. Wir sind so mobil wie nie zuvor. Wir können frei unsere Meinung sagen und glauben, woran wir wollen. Freiheit und Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und politische Kultur, Toleranz und die Wahrung der Menschenrechte machen Deutschland und Europa aus.
Diese offene Gesellschaft ist jedoch nicht unverwundbar. Wir müssen sie schützen und bewahren, mit dem gesamten Spektrum unserer nationalen Handlungsinstrumente. Dazu gehören auch Streitkräfte. Wir sind zwar von Freunden umgeben. Doch wir sind im Bündnis, das bedeutet: Andere verlassen sich auf uns. Und genau dieser verlässliche Partner wollen und müssen wir sein. Denn wir haben nicht vergessen, was es für uns über Jahrzehnte bedeutet hat, von NATO und Europäischer Union beschützt zu werden. Sie haben uns Stabilität und Sicherheit gegeben und damit die Möglichkeit, zu dem Land zu werden, das wir heute sind.
Als ein souveränes und starkes Deutschland haben wir Verantwortung in Europa und in der Welt. Und dieser Verantwortung stellen wir uns. Diplomatie wird dabei immer das erste Mittel des deutschen Engagements in der internationalen Sicherheits- und Friedensvorsorge sein, natürlich ebenso der Landes- und Bündnisverteidigung. Doch wir müssen uns notfalls auch militärisch schützen beziehungsweise eingreifen können. Wenn sich beispielsweise ein Völkermord abzeichnet, können wir nicht einfach wegsehen. Dann haben wir die Verantwortung, die betroffenen Menschen oder ethnischen Gruppe zu schützen. Bei einem so schweren Massenverbrechen, wie wir es vergangenen Sommer erleben mussten, als IS-Milizen im Nordirak schlachtend durch die Gegend zogen, ist keine Zeit zu verlieren. Stündlich stieg damals die Zahl der Ermordeten, und eine diplomatische Lösung war nicht in Sicht. Die internationale Gemeinschaft spricht hier von der "Responsibility-to-Protect", kurz RtoP, zu der sich 2005 fast alle Staaten der Erde bekannt haben.
"Die Bundeswehr hat einen friedenserhaltenden Auftrag"
Gauner86 meint: "Wer die Bundeswehr will, will auch Krieg." Würden Sie dem zustimmen?
Dr. Ursula von der Leyen: Ganz entschieden nicht. Das Gegenteil ist richtig. Die Bundeswehr hat einen friedenserhaltenden Auftrag. Es gibt leider viele Regionen in der Welt, in der die Menschen nicht in Frieden leben können. Anschläge, Gewalt und Krieg gehören zu ihrem Alltag. Staatliche Ordnungsstrukturen funktionieren nicht mehr, die Regionen sind instabil und drohen auseinanderzubrechen. Deutschland leistet seinen Teil – national und als Bündnispartner – um Kriege zu beenden, zu verhindern und ihnen vorzubeugen.
Mit dem sogenannten vernetzten Ansatz greifen die unterschiedlichen Instrumente, über die Deutschland verfügt, dabei ineinander. Diplomatie, Entwicklungszusammenarbeit und gegebenenfalls militärisches Engagement werden mit dem Ziel eingesetzt, fragile Staaten wieder zu stabilisieren. Denn Stabilität, Prosperität und Freiheit sind die Voraussetzungen für dauerhaften Frieden. Unsere Soldatinnen und Soldaten schaffen oft die grundlegende und notwendige Sicherheit in einem Einsatzland, um geeignete Entwicklungsansätze zu ermöglichen. Doch wir wissen natürlich: Nachhaltige Lösungen gehen nur über die örtliche Gemeinschaft. Aus diesem Grund wollen wir unsere Partnerstaaten dazu befähigen, eigenständig die Verantwortung für Frieden und Sicherheit in ihrem Land und in ihrer Region zu übernehmen. Wir tun dies bereits in unseren Missionen in Mali, in Somalia, in Afghanistan und im Irak, wo wir die Sicherheitskräfte vor Ort ausbilden und trainieren.
Engen Verbund der europäischen Streitkräfte weiterentwickeln
BenUe hält es für eine gute Idee, die Bundeswehr zugunsten einer EU-Armee abzuschaffen. Was halten Sie persönlich von der Idee einer EU-Armee?
Dr. Ursula von der Leyen: Im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD (für die Zukunft Deutschlands) haben wir "einen immer engeren Verbund der europäischen Streitkräfte, der sich zu einer parlamentarisch kontrollierten Armee weiterentwickeln kann" als Langzeitziel festgehalten. Die Entscheidung darüber müssen jedoch alle EU-Mitgliedsstaaten gemeinsam treffen. Das wird nicht kurzfristig passieren. Doch das Ziel einer europäischen Armee ist richtig und wichtig, sowohl für unsere Sicherheit als auch für unsere zukünftige internationale Relevanz. Wir werden viele Zwischen-schritte bis zu dieser einen Armee brauchen, möglicherweise über eine Europäische Verteidigungsunion.
Es gibt aber auch heute schon erfolgreiche Beispiele der Verflechtung und Integration nationaler europäischer Streitkräfte, z.B. die deutsch-französische Brigade, die jetzt in Mali im Einsatz war, oder der niederländische Kampfverband, der seit letztem Jahr dauerhaft unter deutsches Kommando gestellt ist.
Bundeswehr wirbt um kluge Köpfe und geschickte Hände
Für rainer-bayern ist eine starke Armee Bedingung für Frieden in Deutschland. Seit Aussetzen der Wehrpflicht habe die Bundeswehr allerdings Schwierigkeiten, Nachwuchs zu rekrutieren. Kann die Bundeswehr Ihre Ränge füllen? Was würden Sie sagen – wie stark ist die Bundeswehr?
Dr. Ursula von der Leyen: Um ihre Aufgaben erfüllen zu können muss die Bundeswehr selbstverständlich personell gut aufgestellt sein. Die Bundeswehr steht beim Werben um die klügsten Köpfe und geschicktesten Hände im Wettbewerb mit anderen Arbeitgebern. Das ist für uns Ansporn, die Bundeswehr zu einem der attraktivsten Arbeitgeber in Deutschland zu machen. Mit modernen Arbeitsbedingungen und -umgebungen, hervorragenden Ausbildungs- und Karrieremöglichkeiten und vielen Maßnahmen zur Chancengerechtigkeit und zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Wir haben hier schon ganz ansehnliche Fortschritte erzielt: So ist die Zahl der Freiwillig Wehrdienstleistenden seit Aussetzen der Wehrpflicht 2011 kontinuierlich gestiegen und bewegt sich auf einen neuen Höchststand zu. Auch die Bewerberquote ist merklich gestiegen. Bis zur Jahreshälfte 2015 waren es bereits über 36.000 Bewerber. Darunter sind immer mehr Frauen, was mich besonders freut. Es geht aber nicht nur darum, Personal zu gewinnen. Mit unserer Agenda Attraktivität verfolgen wir deswegen auch das Ziel, all diese qualifizierten, engagierten Menschen dauerhaft an uns zu binden.
"Das Soldatsein ist kein Beruf wie jeder andere"
Nutzerin sandraschoder ist der Meinung, dass "eine bessere Wertschätzung der Bundeswehr in dieser komplexen und globalen Welt unsere Gesellschaft verbessern würde." Wie beurteilen Sie die Wertschätzung der Bundeswehr in der Bevölkerung und wie könnte diese noch verbessert werden?
Dr. Ursula von der Leyen: Die Bevölkerungsumfrage zum sicherheits- und verteidigungspolitischen Meinungsbild 2014 ergab, dass die Mehrheit der Bevölkerung, nämlich 80 Prozent, die Bundeswehr für wichtig erachtet. Knapp 40 Prozent der Bürgerinnen und Bürger empfinden Dankbarkeit und rund 30 Prozent eine innere Verbundenheit mit der Bundeswehr.
Im Alltag der meisten Deutschen ist die Bundeswehr wenig präsent, das Wissen über ihre Leistungen, z.B. in den Auslandseinsätzen, ist eher gering – was auch daran liegt, dass positive Nachrichten es selten in die Schlagzeilen schaffen. Oder ihre Leistungen werden als selbstverständlich wahrgenommen. Für die Bundeswehr und ihre Angehörigen sind auch tatsächlich viele Aufgaben selbstverständlich, auch wenn sie nicht ihrem originären Auftrag entsprechen. So stand und steht außer Frage, dass die Bundeswehr ihren Beitrag zur Flüchtlingshilfe leistet. Sowohl auf hoher See mit der Rettung von inzwischen rund 9.000 Menschen im Mittelmeer, als auch hier in Deutschland. Die Bundeswehr hat bislang mehr als 30.000 Unterkunftsplätze in 70 Liegenschaften zur Verfügung gestellt. Auch bei der Ausstattung der Unterkünfte, beim Transport mit Bussen und bei der Verpflegung unterstützen wir, wo es möglich ist. Wir stellen Zelte, Betten, Küchengeräte und mobile Röntgengeräte. Bis zu 4.000 Angehörige der Bundeswehr stehen kurzfristig als "Helfende Hände" bereit, täglich sind rund 1.400 von ihnen im Einsatz. Und: Knapp 500 Bundeswehr-Angehörige leisten Amtshilfe für das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge.
Die Auslandseinsätze laufen währenddessen unverändert weiter. In Mali, Nordirak, Afghanistan, Kosovo, Sudan, Südsudan, Somalia, Westsahara, Liberia, im Libanon, im Mittelmeer und im Golf von Aden.
Das Soldatsein ist kein Beruf wie jeder andere! Er fordert ein hohes Maß an Engagement, Einsatzwillen Flexibilität. Er bedeutet monatelange Abwesenheit von Zuhause und persönliche Entbehrungen. Und wir dürfen nicht vergessen, dass diese Frauen und Männer bereit sind, für uns – und unsere Gemeinschaft, unsere freiheitlich-demokratischen Werte – im äußersten Falle mit ihrem Leben einzustehen. Dafür verdienen sie unseren Respekt, Anerkennung und Wertschätzung.
Kommentare: 9
Sowohl die Fragen der Community als auch die Kommentare verstören mich. Sind wir Menschen immer noch nicht weiter? Das Motto: "Waffen sind für Frieden notwendig" ist nicht nur nach seinem Wortlaut unschlüssig. Man schaue sich einfach die gesamte Menschheitsgeschichte an. Aber gut, Krieg im Namen der Demokratie, der Staatssicherheit klingt auch fast nicht mal mehr nach Krieg - es hat was heldenhaftes. Wir beschützen nicht nur uns selbst, sondern retten die ganze Welt (vor ... uns?) Feindbilder wie Terroristen und Flüchtlinge schaffen zudem Angst, die eine hohe Akzeptanz gegenüber Einschnitten unserer Grundrechten sicherstellt. Dabei gibt es keine Gefahr. Und es gibt auch keine Feinde. Sollten sie doch existieren, sei unter anderem der Jahresumsatz der Waffenindustrie (USD 400 Mrd.) zu beachten. Da kann man das Gefühl bekommen, dass die "erklärten Feinde" am Ende nur einen und zwar einen gemeinsamen Feind haben, der unsere Primitivität, unsere Evolutions-Verweigerung seit jeher auslacht.
Leben wir nicht gerade in einer bedrohlichen Situation, in der unsere Demokratie auf dem Spiel steht? Es geht hierbei weniger um die Flüchtlinge an sich, als vielmehr darum, dass gerade die großen Partner wie Russland, USA aber auch China usw. sehr zurückhaltend in Bezug auf die Europäische Flüchtlingssituation reagieren. Ist es nicht ein globales Problem, das uns gerade erreicht und mit dem wir ziemlich gefordert werden? Russland versucht offensichtlich gerade mit der Unterstützung in Syrien einen Konsens zu finden, auf den man aufbauen kann, doch die USA sehen dahinter einen taktischen Zug Seitens Putins. Wie soll eine Welt in den Frieden finden, die sich so wenig gegenseitiges Vertrauen schenkt? Im Land gibt es Auseinandersetzungen in Bezug auf die politische Vorgehensweise mit dieser akuten Flüchtlingssituation und all das soll dann auch noch den bestehen Werten Stand halten können, für die wir zwei Kriege führen mussten, um zu begreifen was Frieden und Freiheit bedeuten können.
"Diese offene Gesellschaft ist jedoch nicht unverwundbar. Wir müssen sie schützen und bewahren, mit dem gesamten Spektrum unserer nationalen Handlungsinstrumente. Dazu gehören auch Streitkräfte."
Sehr richtig! Doch wie sieht die Realität aus? Die Bundeswehr hat auch die Aufgabe die Grenzen des Staates zu schützen. Doch davon ist nicht viel zu sehen angesichts der Massenflutung unseres Landes durch Invasoren fremder Länder und inkompatibler Kulturen. Schlimmer noch: die Bundesmarine wird als Schlepperorganisation missbraucht, wenn sie den Invasoren auch noch einen Fährdienst übers Mittelmeer zu Lasten des Steuerzahlers anbietet.
... im übrigen bin ich der Meinung, dass Afrika nicht nach Deutschland ausgelagert werden sollte.