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"Ey, mach was für die Gesellschaft!"

Der Verein "I Am Jonny" um Gründerin Tina K. ruft am 14. Oktober zum Tag der Zivilcourage auf. Seit Tinas Bruder Jonny vor drei Jahren an den Folgen einer Gewalttat starb, setzen sich die Vereinsmitglieder für Zivilcourage ein – und damit auch für mehr Lebensqualität in Deutschland.

Veröffentlicht:02.10.2015 Kommentare: 8

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Im Grunde ist die Botschaft simpel: Du bist nicht nur für dich verantwortlich, sondern auch für die Menschen um dich herum. "Wenn das mehr Menschen verstehen würden", sagt Tina K. und lässt den Satz in der Luft hängen. Die 31-Jährige arbeitet hart dafür, dass mehr Menschen verstehen. Zusammen mit den anderen Mitgliedern des Berliner Vereins "I Am Jonny" setzt sie sich für mehr Zivilcourage und ein friedliches Miteinander ein.

Tina weiß, was passieren kann, wenn die Menschen wegsehen. 2012 wurde ihr jüngerer Bruder Jonny am Alexanderplatz in Berlin zu Tode geprügelt. "Die Täter waren zu sechst", erzählt Tina. "Wenn nur einer von denen Stopp gesagt hätte, wäre das alles vielleicht anders verlaufen." Auch von den Passanten in der Nähe griff niemand ein. "So wie es dort gelaufen ist, ist es falsch gelaufen", sagt Tina. Deshalb besucht sie jetzt Schulen in ganz Deutschland, um darüber zu sprechen, wie es eigentlich funktionieren sollte.

Schüler setzen sich für Zivilcourage ein

Mal alleine, mal mit anderen I-Am-Jonny-Mitgliedern, mal in Grundschulklassen, mal in Oberstufenkursen erzählt Tina von ihrem Bruder und dem, was passiert ist. Sie fragt die Schülerinnen und Schüler nach ihren Erfahrungen mit Gewalt und bespricht mit ihnen die "6 Regeln der sicheren Zivilcourage", zum Beispiel Hilfe zu holen und sich Mitstreiter zu suchen. Viele der Schüler, so Tinas Erfahrung, kennen den Begriff Zivilcourage nicht, aber das Thema lässt niemanden kalt. Und: "In jeder Klasse gibt es den einen, der die Welt verändern will", sagt die Berlinerin. Das sind die Schüler, die sich auch nach dem zweistündigen Workshop mit Tina weiter für das Thema einsetzen.

"Jeder denkt immer, wer anders wird sich schon kümmern", sagt Tina. "Aber es passiert nur dann etwas, wenn man etwas tut." Unter anderem aus diesem Grund gründete sie nur wenige Wochen nach dem Tod ihres Bruders gemeinsam mit Freunden den I Am Jonny e.V., wenn auch damals noch ohne konkreten Plan. "Ich wusste, es muss etwas passieren, aber ich wusste noch nicht was." Inzwischen sind es neben den Schul-Workshops auch zahlreiche andere Projekte, die der Verein organisiert. Mal ist es ein Benefizkonzert, mal ein Sportturnier. Die gesamte Arbeit der Vereinsmitglieder ist ehrenamtlich.

Ein Campus für Generationen

Langfristig hat Tina für den Verein ein großes Ziel vor Augen: den "I Am Jonny Campus". Ein zusammenhängender Komplex in Berlin soll es werden mit Kinder- und Jugendeinrichtungen, einer Integrationsschule, Kita, generationsübergreifenden Angeboten und vor allem einer Anlaufstelle für Opfer von Gewalttaten. Das deutsche System fokussiere sich auf die Täter, so Tina, die Opfer dagegen würden oft allein gelassen. "Ich weiß, dass das, was ich hier mache, nicht normal ist." Während Tina ihre Trauer in Engagement für eine friedliche Gesellschaft umsetzt, verlieren andere ihre Energie und ihren Lebensmut und damit auch ein großes Stück Lebensqualität.

Wie man den Lebensmut zurückgewinnen kann? "Liebe", sagt Tina. "Ich konzentriere mich auf die Liebe zu meinem Bruder und freue mich über die Momente, die ich mit ihm hatte." Ein Patentrezept gebe es aber natürlich nicht. "Du weißt vorher nicht, wie du mit einem solchen Erlebnis umgehst." Sie erzählt, wie aufgeschlossen, freundlich und friedliebend ihr Bruder ist. Nach seinem gewaltsamen Tod ist sie überzeugt: "Wenn das jemandem wie Jonny passieren kann, kann das jedem passieren." Auch deshalb setzt sie ihre Aufklärungsarbeit unermüdlich fort. "Ich möchte alle Leute wachrütteln, um ihnen zu sagen: Ey, mach was für die Gesellschaft."

Am 14. Oktober jährt sich der Todestag von Jonny zum dritten Mal. Die Mitglieder von I Am Jonny machen diesen Tag zu ihrem "Tag der Zivilcourage". Unter anderem wird es eine Schweigeminute am Alexanderplatz geben. Weitere Informationen zum Verein finden Sie auf der Webseite sowie über das Facebook-Profil des I Am Jonny e. V.

Kommentare: 8

  • Mein Sohn nennt mir fast täglich Beispiele für fehlende Zivilcourage, denn es fängt bereits bei den Umgangformen an, die oft sehr zu wünschen übrig lassen. Es gibt einfach Grenzen, die jeder einzuhalten hat, wenn er privates Gedankengut in der Öffentlichkeit verbreiten möchte, ob nun ernsthaft oder aber als Provokation. Diese Grenzen werden heute offensichtlich nicht mehr von zu Hause vermittelt und führen deshalb zu Konfrontationen in der Öffentlichkeit. Die wenigsten Menschen jedoch mischen sich hier ein, denn eigentlich ist es ja Privatsache, was da ausgepackt wird. Genau das ist der Anlass für ein Einmischen, denn wenn ich als Außenstehender in Privates hineingezogen werde, dann ist das öffentlich und nicht richtig. Die Grenzen zwischen "Mein" und "Dein" beginnen dort, wo man den öffentlichen Raum als Gemeinschaftsraum teilt und nicht für private Zwecke nutzt.

  • Teil 2 der Antwort:
    Und dann die Riesenflächen der Konzerne, vieles steht leer, man könnte da schnell und viel was gestalten für Flüchtlinge. Aktionäre sollten das fordern von den Konzernvorständen, wir verzichten auf Auszahlungen von Gewinnen, nehmt das Geld für Flüchtlinge und Neubürger. Aus Bundeswehrstandorten vor oder nach der Schließung kann man Siedlungen auch gerade für Flüchtlinge- Neubürger entwickeln, das sollte doch finanziell und technisch kein Problem sein.
    "Wir schaffen es", wenn wirklich ALLE, gerade auch Vermögende und reiche, Konzerne, Banken, Versicherungen, Krankenkassen mitziehen, auf ihre Gewinne auch mal verzichten, selber Opfer bringen gerade auch in den höheren Etagen. Gruß- Uwe

  • Wenn jemand von seinem Volk Solidarität verlangt, dann gilt das für alle Menschen, gerade auch moralisch verpflichtet für Vermögende, Reiche, Beamte, die Diener des Staates, die ja vom Staat gut versorgt werden, auch im Alter. Ich kann dann nicht nur den immer wieder gebeutelten Steuerbürger anzapfen und wehe dem, er oder sie wehrt sich dagegen. Darum ja auch mein Gedanke, sichtbar für alle staatliche Flächen, auch vor Kanzleramt. vor dem Bundespräsidenten, auch in solchen und anderen Objekten was für Flüchtlinge einzurichten. Und die Riesenbauten der Banken und Versicherungen, von Konzernen, Krankenkassen, da passen viele Wohnmöglichkeiten und Unterkünfte für Flüchtlinge und dann Neubürger rein. Und Kuren lohnen sich ja nicht mehr, auch in Kurorten wäre viel machbar und denkbar.
    Und dann die Riesenflächen der Konzerne, vieles steht leer, man könnte da schnell und viel was gestalten für Flüchtlinge. Teil 1, gleich folgt Teil 2. Gruß- Uwe