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"Ich wusste, dass ich mehr konnte"

Sonderschule. So lautete das Urteil, als Marcel Labs eingeschult wurde. Heute steht der 20-jährige Duisburger kurz vor dem Abitur. Im Interview erzählt er von seinem ungewöhnlichen Weg und sagt, was sich aus seiner Sicht im Bildungssystem ändern muss.

Veröffentlicht:12.09.2015 Schlagworte: Bildung Kommentare: 3

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Marcel, als du eingeschult werden solltest, haben dich mehrere Grundschulen abgelehnt. Schließlich bist du auf eine Sonderschule für Schwererziehbare gekommen. Warum?

Ich hatte einen schweren Sprachfehler. Man konnte mich kaum verstehen und ich habe Wörter vertauscht. Außerdem wurde ich im Kindergarten immer gehänselt, weil ich so groß war für mein Alter. Dagegen habe ich mich gewehrt. Die Erzieher waren überfordert mit mir. Auf der Sonderschule bin ich dann direkt in die dritte Klasse gekommen.

In die dritte Klasse?

Ich war damals der einzige, der eingeschult wurde. Alle anderen waren älter als ich, ich konnte noch nicht lesen und schreiben. Ich war drei Jahre auf der Schule und habe dort eigentlich nichts gelernt. Es wurde erst besser als ich auf eine Sprachförderschule wechseln konnte. Da habe ich mich viel wohler gefühlt. Ich habe endlich richtig lesen und schreiben gelernt und andere nette Kinder kennengelernt. Außerdem hatte ich dort zum ersten Mal Sprachunterricht und die Schule hat mich außerdem an das Lehrinstitut für Orthographie und Sprachkompetenz empfohlen. Dort wurde zusätzlich an meiner Lese-Rechtschreibschwäche gearbeitet. Nach drei Jahren auf der Schule kam ich dann an eine weiterführende Förderschule für Sprache.

Auf dieser Schule wolltest du aber nicht auf Dauer bleiben.

Genau. Die Förderschule hatte das gleiche Bildungsniveau wie eine Hauptschule. Ich wäre aber mit einem Hauptschulabschluss nicht zufrieden gewesen. Ich wusste, dass ich viel mehr konnte. Einer meiner Lehrer hat das zum Glück auch so gesehen. Er hat mir geholfen, nach der 7. Klasse auf eine Regelschule zu wechseln.

Seitdem besuchst du eine Gesamtschule. Ist dir der Wechsel schwergefallen?

Nein, das war gar nicht schwer für mich. Ich war erst ein halbes Jahr zur Probe an der Schule. Als das gut lief und meine Noten gut waren, konnte ich bleiben. Jetzt bin ich in der zwölften Klasse und habe noch zwei Jahre bis zum Abitur.

Weißt du schon, was du anschließend machen möchtest?

Ich hätte nach dem letzten Schuljahr fast eine Ausbildung als Chemikant angefangen, habe mich dann aber doch für das Abitur entschieden. Den Beruf Chemikant könnte ich mir aber immer noch vorstellen. Mir liegen Naturwissenschaften. Ich habe aber auch schon mal darüber nachgedacht, Politiker zu werden. Dann könnte ich mich genau für das einsetzen, was mir wichtig ist, zum Beispiel für Inklusion.

Was würdest du am Bildungssystem ändern, wenn du dazu die Möglichkeit hättest?

Ich bin der Meinung, dass man keine Sonderschulen braucht. Ich habe das Gefühl, dass die Schüler dort trotzdem nicht genug gefördert werden. Und mit dem Abschluss an einer Sonderschule findet man nur schwer einen Ausbildungsplatz. Wenn ich aber keine Ausbildung habe, verdiene ich nie so viel Geld, dass ich eine Familie gründen kann.

Was müsste man aus deiner Sicht anders machen, damit Inklusion besser funktioniert?

Das fängt schon damit an, dass man Schulen umbauen müsste, damit auch Schüler im Rollstuhl ohne Probleme überall hinkommen. Außerdem finde ich, dass man das Miteinander stärken müsste. Man könnte zum Beispiel mehr Sonderpädagogen an den Regelschulen einstellen. Und vielleicht könnte man das Kurssystem ändern. Bei uns an der Gesamtschule zum Beispiel wird zwischen Grund- und Erweiterungskursen unterschieden. Das kann man doch ausbauen und zum Beispiel so etwas wie einen Kurs für besonders Begabte einrichten.

Kommentare: 3

  • Die genannten Personen werden sicher Ausnahmen in der Masse bleiben, das ist so wie der Weg vom Tellerwäscher zum Millionär. Natürlich gibt es solche Menschen, die mit Können, Wissen und Geschäftssinn was ganz Großes erreicht haben oder noch erreichen. Ich gönne es allen, die es wollen und auch schaffen, geschafft haben. Gruß- Uwe

  • Die Gründer von Microsoft, Facebook etc. waren auch alles nur Durchschnittsschüler. Das zeigt uns das man immer viel erreichen kann und große Träume verwirklichen kann auch wenn man kein hochbegabter Schüler ist.

  • Marcel, "du kannst mehr, als du glaubst"! Jeder Mensch, ob mit oder ohne Behinderung, ist voller Schätze und Talente. Das gilt auch für Menschen aus sozial benachteiligten Schichten, viele Begabte und Hochbegabte werden von Elternhaus, Erziehenden oder auch in der Schule einfach übersehen und nicht erkannt. Man passt nicht in bestimmte Raster, denkt und handelt vielleicht anders als andere, schon ist man draußen in der Gesellschaft. Menschen dürfen oft nicht mehr einfach auch Mensch sein, sondern müssen nur funktionieren und perfekt sein, so wollen es Wirtschaft und Gesellschaft. Weiterhin ALLES GUTE! Gruß- Uwe