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Wenn es zum Problem wird, ein Formular auszufüllen

Mehr als jeder Siebte in Deutschland kann nicht oder nur unzureichend lesen und schreiben. Ein Umstand, der diese Menschen in ihrer Lebensqualität stark einschränkt. Am UNESCO Weltalphabetisierungstag, dem 8. September, wurde an die Situation dieser Menschen erinnert. Und es gibt Auswege.

Veröffentlicht:08.09.2015 Schlagworte: Bildung Kommentare: 2

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Eine Speisekarte im Restaurant lesen oder ein Formular auf dem Amt ausfüllen – das sind für Betroffene meist schon unlösbare Aufgaben. "Ich habe meine Brille vergessen" oder "Meine Handschrift ist so schlecht, kannst du das für mich notieren?" sind typische Ausreden von funktionalen Analphabeten. So lautet die Bezeichnung für Menschen, die zwar Buchstaben, Wörter und auch einzelne Sätze lesen und schreiben können, die jedoch Mühe haben, einen längeren zusammenhängenden Text so zu verstehen, dass sie davon einen praktischen Nutzen haben.

Rund 7,5 Millionen Menschen mit Lese- und Schreibschwierigkeiten

Eine vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderte Studie der Universität Hamburg hat dazu festgestellt: In Deutschland leben fast zweimal mehr Menschen mit Lese- und Schreibschwierigkeiten als lange angenommen. Demnach können rund 7,5 Millionen Menschen zwischen 18 und 64 Jahren keine zusammenhängenden Texte lesen oder schreiben.

Auf diese Situation macht die vom Bundesbildungsministerium initiierte Kampagne "Lesen und Schreiben – Mein Schlüssel zur Welt" aufmerksam. Damit Betroffene und Lernende etwas an ihrer Situation ändern können und so die Chance haben, auch ihre Lebensqualität zu verbessern, nennt sie zahlreiche Beratungs- und Unterstützungsangebote vor Ort. Denn – und das ist die gute Nachricht zum Weltalphabetisierungstag: Grundbildung und Literalisierung lassen sich auch im Erwachsenenalter nachholen.

"Ich weiß, wie sich ein Leben verändern kann, wenn man als Erwachsener lesen und schreiben lernt."

Ein Beispiel gibt Tim-Thilo Fellmer. Der 47-Jährige ist heute erfolgreicher Kinder- und Jugendbuchautor – obwohl er erst im Alter von 25 Jahren richtig lesen und schreiben lernte: "Ich habe es erlebt und weiß es von vielen Betroffenen, wie sich ein Leben verändern kann, wenn man als Erwachsener lesen und schreiben lernt. Wie viel Positives man dafür – auch für die Mühen, die man auf sich nimmt – zurückbekommt und dadurch ein viel selbstbestimmteres und – ich möchte mal sagen – schöneres Leben leben kann."

Die Bundesregierung und zahlreiche andere Institutionen fördern den Alphabetisierungsprozess, zum Beispiel mit Bildungsgutscheinen der Arbeitsagentur oder der Bildungsprämie des Bundes. Es gibt viele Varianten der finanziellen Förderung.

Mehr über den Weltalphabetisierungstag und die Kampagne "Lesen und Schreiben – Mein Schlüssel zur Welt" erfahren Sie unter
www.mein-schlüssel-zur-welt.de.

Zu Lese- und Schreibkursen berät die Internet-Seite www.alphabetisierung.de. Telefonisch informiert das ALFA-TELEFON kostenlos aus allen Netzen unter der Nummer 0800 - 53 33 44 55.

Kommentare: 2

  • Harald Martenstein, DER TAGESSPIEGEL, 03.05.2015, "Wie gut ist das Deutsch der Schulsenatorin Sandra Scheeres?"

    "Erst vor ein paar Tagen hat sich wieder einmal die Wirtschaft gemeldet. 2000 deutsche
    Unternehmen wurden befragt, nur noch 47 Prozent sind mit der Qualifikation von Uni-
    Absolventen zufrieden, die den Bachelor besitzen. 2007 waren es 67 Prozent. Das Image
    der Abiturienten sieht ähnlich aus. Ziel der Bildungspolitik ist ein Land, in dem 90
    Prozent der Menschen Abitur machen und 70 Prozent studieren. Es funktioniert so
    ähnlich wie Planwirtschaft. Hauptsache, die Produktionszahlen stimmen, ob das Produkt
    tatsächlich etwas taugt, ist egal."

    Die große sozialistische Gleichmache in der Bildungspolitik ist verantwortungslos gegenüber den folgenden Generationen - aber sie ist gewollt! Denn: ein blödes Volk stellt keine Fragen und ist schon zufrieden mit dem neuesten Smartphone.

  • Henryk M. Broder, 21.05., DIE WELT
    "Um im Dschungelcamp, bei Dieter Bohlens "DSDS" oder Heidi Klums "GNTM" angenommen
    zu werden, muss man weder lesen noch schreiben können, sondern nur von sich selbst
    überzeugt und jeder Zumutung gewachsen sein. Eine völlige Abwesenheit dessen, was man
    früher Allgemeinbildung nannte, ist ebenfalls hilfreich.
    Ein Teilnehmer der ersten Staffel von "Big Brother" machte sich unter anderem damit einen
    Namen, dass er Shakespeare für eine Biermarke hielt. Dafür wurde er mit einer eigenen
    Dokusoap belohnt. Für andere ist der Satz "Da werden Sie geholfen" der Anfang einer
    Karriere als Vorbild in der Verblödungsindustrie.
    Machen wir uns nichts vor: Bildung und Wissen sind nur Stolpersteine auf dem Weg nach
    oben. Davon zeugen Heerscharen promovierter Germanisten, die Taxi fahren. Zumindest die
    bekommen jetzt eine zweite Chance. Für das Alfa-Telefon der Kampagne "Lesen und
    Schreiben – Mein Schlüssel zur Welt" werden noch Mitarbeiter gesucht."