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"Wir sind als Kirche beim Menschen"

Kirche und Militär – schließt sich das nicht aus? Nein, findet der evangelische Militärgeneraldekan Matthias Heimer. Im Interview erzählt er, wie Seelsorger Soldatinnen und Soldaten im In- und Ausland unterstützen und warum das zu mehr Lebensqualität beiträgt.

Veröffentlicht:24.07.2015 Schlagworte: Sicherheit Kommentare: 3

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Herr Heimer, wie trägt Seelsorge zu einem besseren Leben bei?
Indem sie an die Seele erinnert und daran, dass der Mensch mehr ist als das, was man auf den ersten Blick sieht. Seelsorge vermittelt den Menschen außerdem, dass sie mit Problemen nicht alleine da stehen. Sie gibt dem Menschen eine Perspektive über sich selbst hinaus auf etwas Größeres. Eine zusätzliche Dimension, wenn Sie so wollen.

Wie zeitgemäß ist Seelsorge? Kann ein Seelsorger anders helfen als ein Psychologe?
Ich finde, es ist immer zeitgemäß, sich um diese Dimension, von der wir gerade sprachen, zu kümmern. Dabei sind wir keine Konkurrenz zum psychologischen Dienst der Bundeswehr. Im Gegenteil. Wir arbeiten Hand in Hand. Aus meiner Sicht haben wir aber als Seelsorger einen Vorteil: Wir sind als Zivilisten dabei. Die Soldatinnen und Soldaten sprechen also mit jemandem, der außerhalb der Hierarchie steht. Jemand hat mal zu mir gesagt: "Das Gute an Ihnen ist der andere Blick auf uns."

Kirche und Militär arbeiten zusammen. Ist das nicht ein Widerspruch?
Ich sehe das nicht als Widerspruch. Wir sind als Kirche beim Menschen, nicht primär beim Soldaten. Aber dieser Mensch befindet sich in einer besonderen Stellung. Es gibt nur wenige Berufsgruppen, die bereit sind, sich aufzugeben, um andere zu schützen. Aber dieser Mensch trägt eben auch eine Waffe und damit muss man sich als Seelsorger beschäftigen.

Die Militärseelsorger sind an den verschiedenen Bundeswehr-Standorten tätig. Welche Angebote machen sie den Soldatinnen und Soldaten?
Sie bieten natürlich Gottesdienste an und übernehmen den sogenannten lebenskundlichen Unterricht als Teil der Ausbildung der Soldaten. Außerdem machen sie Gesprächsangebote. Wichtig ist: Der Pfarrer hat Zeit, weil er eben nicht unmittelbar ins System eingebunden ist. Und Zeit ist oft ein großes Geschenk.

Seelsorgerinnen und Seelsorger sind auch bei Einsätzen im Ausland dabei. Wie unterstützen Sie Soldaten dort?
Schlicht dadurch, dass wir da sind. Als Seelsorger fahren wir vor Ort möglichst nicht mit hinaus, zu Patrouillenfahrten zum Beispiel. Aber wir sind da, wenn die Soldatinnen und Soldaten zurückkommen. Wie jetzt bei der Flüchtlingsrettung im Mittelmeer. Das ist natürlich immer ein freiwilliges Angebot. Aber auch hier kann ein Pfarrer eine Ventilfunktion haben, weil er außerhalb des Systems steht, aber Schweigepflicht hat.

Und nach der Rückkehr in die Heimat?
Wichtig ist, die Menschen zuhause nicht aus den Augen zu verlieren. Wir haben zum Beispiel ein Seelsorge-Projekt speziell für Menschen, die aus einem Einsatz zurückkehren. Ein sehr niederschwelliges – übrigens ökumenisches – Angebot, bei dem wir auch wieder mit Psychologen und Sozialarbeitern zusammenarbeiten. Die Soldatinnen und Soldaten haben die Möglichkeit, in ein kirchliches Haus einzukehren. So schaffen wir ein neues Umfeld. Außerdem beziehen wir ihre Familien mit ein.

Familien, deren Angehörige bei einem Militäreinsatz sind, durchleben oft schwierige Situationen. Wie unterstützen Sie hier?
Wir bieten den Menschen einen Ansprechpartner. Es bleibt ja immer jemand von uns am Heimat-Standort. Manchmal kommen Soldaten im Ausland zu den Seelsorgern, weil sie sich Sorgen um ihre Familien machen, und bitten darum, dass jemand nach ihrer Familie schaut. Dann nehmen die Kollegen zuhause Kontakt auf.

Gab es eine Situation oder Person, die Sie persönlich besonders beeindruckt hat?
Ich war vor vielen Jahren im Kosovo im Einsatz. Als Seelsorger trage ich ja keine Waffe und bin auch nicht militärisch ausgebildet. Deshalb bekam ich dort einen Soldaten an die Seite gestellt. Dieser Soldat hat mich tief beeindruckt, als er zu mir sagte: "Bevor Sie tot sind, bin auf jeden Fall ich tot." Da war jemand, der seinen Auftrag wahrnimmt und sich im schlimmsten Fall aufgeben würde. Nicht ohne nachzudenken, aber konsequent.

Was bedeutet für Sie persönlich Lebensqualität?
Es sind drei Dinge: Zunächst einmal ist das für mich als gläubiger Mensch die Geborgenheit bei Gott. Außerdem das Leben in einem Rechtsstaat, gerade weil ich so viele Länder kenne, in denen es anders ist. Und schließlich sind mir meine Familie und Freunde wichtig.

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Kommentare: 3

  • Kirche und Staat, Kirche und Militär, das waren und sind spannende Themen. Passt das zusammen, wurden viele Kriege in Vergangenheit und Gegenwart weltweit nicht auch mit göttlichem Segen geführt? Darüber sollte man auch sprechen und sich austauschen, die Rolle der Kirche in den jeweiligen Streitkräften in Vergangenheit und Gegenwart. Wie ist das mit dem Befehlsnotstand, ein Soldat muss Befehle ausführen, hat aber dabei immer mehr Gewissenskonflikte vor allem beim Auslandseinsatz? Wo und wie können da Militärseelsorge helfen, vermitteln? Gruß- Uwe

  • Als Atheistin habe ich Hochachtung vor den Einsätzen der Seelsorger in Krisengebieten. Es geht nicht um Relisgion, hier ist Menschlichkeit gefragt, Und die haben Seelsorger.

  • Da denke ich - als Ex-Kathole - an die Mär vom guten Hirten. Doch sehe ich diese Kleriker, dann denke ich nur noch:
    Wer solche Hirten hat, braucht keine Metzger mehr!