Regenbogenbunte Vorstellungen von gutem Leben
Im "Checkpoint", der Geschäftsstelle des Lesben- und Schwulenverbandes (LSVD), steht die Eingangstür weit und einladend offen: Am 7. Juli hat der LSVD in Saarbrücken zum Bürgerdialog eingeladen.
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Quelle: Willi da Silva Borges
Fast 30 Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transgender waren nach Saarbrücken gekommen, um gemeinsam über ihre Vorstellungen von gutem Leben zu sprechen. Sie sitzen eng gedrängt im Halbkreis, die Moderationskarten und Stifte auf dem Schoß. Mit einem kurzen Film zur Einstimmung beginnt der Bürgerdialog. Die Reaktion auf die verschiedenen Vorstellungen von einem guten Leben: Interessiertes Zuhören, das in konzentriertes Stiftekauen übergeht, als der Moderator die erste Frage stellt: Was bedeutet für Sie persönlich gutes Leben, Lebensqualität?
Die Ergebnisse werden reihum vorgetragen. Jeder Teilnehmer stellt sich dabei kurz vor. Die SPD ist da, die Linke, die Lesben und Schwulen in der Union, die Schwusos, eine Vertreterin der Aktion Homosexuelle und Kirche, ein Vertreter der Transgender, zwei Mitglieder der Schülervertretung und der Vorstand des Lesben- und Schwulenverbandes. Das Publikum ist bunt gemischt und so sind auch die Vorstellungen von gutem Leben.
Forderung nach der Anerkennung der eigenen Liebe
Einig ist man sich schon zu Beginn, dass die Ehe für alle auch für mehr Lebensqualität sorgt. Hier im Bürgerdialog glaubt man fest daran, dass mit der Ehe für alle auch die schwule und lesbische Ehe alltäglich und normal wird. Und das fördere eben die Lebensqualität: Wenn der Kampf nach Anerkennung der eigenen Liebe endlich nicht mehr geführt werden muss; wenn man ganz selbstverständlich Mann und Mann oder Frau und Frau sein kann.
In der zweiten Runde wird nach den großen Begriffen für Lebensqualität gefragt. Was macht Lebensqualität in Deutschland aus? In dieser Runde bilden sich kleine Gruppen, die mögliche Antworten diskutieren. Grüne Karten werden eifrig mit Diskussionsergebnissen beschriftet. Karte um Karte füllt sich mit den Vorstellungen von Lebensqualität. Selbstbestimmung ist zu lesen, der Wunsch nach Anerkennung der eigenen Lebensweise, der Partnerschaft als Ehe. Chancengleichheit fordern die Schülervertreter, mehr auf Werte achten und auf Menschlichkeit, als auf Geld. Die Grundsicherung für alle wird gefordert. Umweltschutz wird genannt, und man wünscht sich eine ehrliche Politik.
Weniger Diskriminierung, mehr Akzeptanz
Nach einer kurzen Pause werden für die großen Überbegriffe konkrete Wünsche formuliert. Barrierefreiheit ist die Voraussetzung für Selbstbestimmung, sagt Günter*, und Bernd schreibt seine Forderung auf. Günter ist blind und erzählt wie es ist, wenn man als Blinder in einem Hotelaufzug mit zwanzig Knöpfen steht, die nicht mit Brailleschrift versehen sind. Er lacht dabei – sein Handy hat ihn gerettet. Auch die anderen Teilnehmer finden zahlreiche Forderungen und Ideen, die sie mit einem guten Leben verbinden. Dass unter dem Oberbegriff Lebensgemeinschaften die Ehe für alle zum wiederholten Mal genannt wird, zeigt, wie sehr den Lesben und Schwulen diese Frage auf den Nägeln brennt. Es geht um den Abbau von Diskriminierung und um Akzeptanz. Wie ein roter Faden zieht sich diese Forderung durch den Bürgerdialog in Saarbrücken.
Zum Abschluss ergreift der Vorsitzende des LSVD noch einmal das Wort und schließt mit dem Satz: "Wir wollen, dass zwei Menschen, die sich lieben, heiraten dürfen." Damit endet ein hitziger Bürgerdialog. Aber noch nicht ganz – zum gemeinsamen Nachdenken über die gewonnenen Eindrücke geht es zusammen in eine Schwulenkneipe am St. Johanner Markt.
*Name geändert
Kommentare: 1
Ich möchte hier auf die Abstimmung vor einigen Monaten in Irland hinweisen, die Kirchen waren dagegen, aber die Menschen haben mit Mehrheit dann anders entschieden. Nun ist Irland Vorreiter in dieser die Gesellschaft spaltenden Thematik, wer heiraten kann und darf. So verändern sich auch Denkweisen einer Gesellschaft. Man muss es nicht mögen oder wollen, aber es gibt ja den Begriff Toleranz und Achtung auch von gegenteiligen Meinungen und Sichtweisen. Gruß- Uwe