Nachhaltiges Wachstum und soziale Gerechtigkeit
Warum brauchen wir ein neues Indikatoren-System für Wohlstand und Lebensqualität? Diese Frage stellen Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Bürgerdialoge immer wieder. Die Antwort erfahren Sie hier.
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Der deutschen Wirtschaft geht es gut, da sind sich die Experten und Menschen in diesem Land einig. Doch worauf beruht eigentlich diese Einschätzung? Zu einem wesentlichen Teil auf der Entwicklung des Bruttoinlandproduktes (BIP). Dieses gibt den Gesamtwert aller Güter – sowohl Waren als auch Dienstleistungen – an, die in einem Land innerhalb eines Jahres produziert werden. Steigt das BIP, so wird von nationalem Wirtschaftswachstum ausgegangen. Doch bedeutet das zugleich auch mehr Wohlstand und Lebensqualität für alle?
Deutschland belegt beim weltweiten BIP-Vergleich pro Kopf einen guten 19. Platz und befindet sich damit hinter reichen Ländern wie den USA, Norwegen und Katar, aber noch vor Großbritannien, Frankreich und Japan. Das BIP ist zweifellos ein wichtiger Indikator für den Wohlstand eines Landes, aber es sagt noch nichts darüber aus, wie nachhaltig der Wohlstand erarbeitet worden ist und wie gerecht er verteilt wird. Diese Fragen sind aber zentral, wenn wir von gutem Leben sprechen. Zum Beispiel argumentiert der Wirtschaftsnobelpreisträger Joseph Stiglitz in seinem Werk "Der Preis der Ungleichheit", dass sich im Falle der USA aufgrund von verfehlter Umverteilungspolitik bereits eine tiefgreifende Spaltung der Gesellschaft vollzogen habe.
Modell zur Messung von Wohlstand und Lebensqualität
Vor diesem Hintergrund wird in jüngerer Zeit zunehmend bezweifelt, dass das BIP allein als adäquater Wohlstandsindikator ausreicht. Was vielmehr benötigt wird, ist ein komplexeres Modell zur Messung von Wohlstand und Lebensqualität. Die Enquete-Kommission "Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität" des Deutschen Bundestages kam in der letzten Legislaturperiode zu dem Schluss, dass dabei neben materiellem Wohlstand auch die Dimensionen "Soziales und Teilhabe" sowie "Ökologie" erfasst werden sollen.
Die Regierungsstrategie "Gut Leben in Deutschland – was uns wichtig ist" baut auf diese Diskussion auf. Als Ergebnis soll ein neues Indikatoren-System für Wohlstand und Lebensqualität entstehen, welches Aspekten wie z.B. Arbeit, Bildung, Gesundheit, Sicherheit und Umwelt jeweils einen angemessenen Stellenwert einräumt. Welche Bereiche im Einzelnen Eingang in dieses Indikatoren-System finden sollen, darum geht es in unserem Bürgerdialog. Dazu fragen wir die Menschen in Deutschland, was ihnen wichtig ist im Leben – in Diskussionsveranstaltungen vor Ort oder im Online-Dialog hier auf unserer Webseite. Denn nur so kann wirklich nachhaltiges Wachstum gemessen werden, welches mit den Wertvorstellungen der Bevölkerung zu Chancengleichheit, Selbstbestimmung und Sicherheit in Einklang steht.
Kommentare: 12
Nachhaltiges Wachstum bedeutet für mich, dass Wachstum etwas zurückgeben muss, um dem zu dienen, das ihm beim Wachsen hilft, andernfalls ist Wachstum Ausbeutung. Soziales Wachstum ist eine weitere Steigerung des Dienstes am Menschen und seiner Natur, die ihm zu Grunde liegt. Dazu hat Papst Franziskus eine sehr lesenswerte Enzyklika verfasst, die auf diesbezügliche Problematiken in der heutigen Weltgemeinschaft hinweist und Lösungsansätze einbringt. Ich glaube, das schwerste am nachhaltigen Wachstum und sozialer Gerechtigkeit ist der Wille des einzelnen dafür etwas zu leisten.
Zum Thema Wohlstand- Lebensqualität gibt es ja viele Auffassungen, oft abhängig von der eigenen Position des Betrachters in Gesellschaft, Politik und Arbeitswelt. Eine Frage stelle ich oft bei Diskussionen mit Menschen aus verschiedenen sozialen Schichten, können sich beruflich- finanziell gut und sehr gut gestellte und versorgte Menschen, auch Reiche und Vermögende in die Lage von Menschen versetzen, die auch arbeiten, fleißig arbeiten, aber davon nicht existieren können, die trotz Arbeit aufstocken müssen? Kann man sich in Menschen hinein versetzen, die sich immer wieder um neue Arbeit bemühen und dabei oft scheitern, die ausgegrenzt werden, die verzweifelt sind, dann nicht selten in die verschiedenen Suchtformen verfallen, die sogar am Sinn des Lebens zweifeln? Und das passiert alles im reichen Deutschland, was ja viele Milliarden oft sinnlos ausgibt, verschwendet oder anderen Staaten hilft. Trotz allgemein guter Lebensqualität ist vieles in Schieflage gekommen. Gruß- Uwe
Wieviel Wachstum gesund ist, und wie gerecht der Wohlstand verteilt werden muss, war schon zu allen Zeiten eine spannende Frage. Denn konservative Kräfte bremsten nicht aus Jux und Dollerei, zumal Gemeinsamkeiten grundsätzlich auf unterschiedlichen Abhängigkeiten beruhen - mit entsprechenden Machtunterschieden BeTEILigter ...!!
Neuorientierung kann es nur geben, wenn bahnbrechende Erkenntnisse menschlichen Interessen-Managements zur Kenntnis genommen werden, die von erstaunlichen Ergebnissen der modernen Hirnforschung gestützt werden! Bis jetzt wissen Politiker noch nicht mal, dass es da was gibt ...
Wer sich mit Nachhaltigkeit und Gerechtigkeit beschäftigt, ohne sich der drei wesentlichsten Bestimmer unseres bisschen Daseins bewusst zu sein, wird noch viele Dialoge brauchen. Denn die enden allesamt ergebnislos und müssen mit Hoffnungen kompensiert werden. Im Hoffen (Wünschen, Erwarten) und Verdrängen (Ignorieren) waren Vernunftwesen schon immer Weltmeister.