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Heute bleibt der Bildschirm schwarz

Ohne Computer geht es nicht mehr. Zumindest sagen wir das oft über unseren Alltag. Aber stimmt es auch? Und wie lebt es sich besser, mit oder ohne Rechner? Studentin Léonie Glaz hat eine Woche auf ihren Computer verzichtet. Ein Selbstversuch.

Veröffentlicht:26.05.2015 Kommentare: 2

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Montag, Tag 1

7:00 Uhr. Der Wecker klingelt. Zeit, aufzustehen. Vorlesung um 9:50 Uhr. Mein Finger tastet die Rückseite des Computers nach dem "On"-Knopf ab. Halt. Da war doch was. Mein Vorsatz: eine Woche ohne Computer. Mist. Enttäuschung. Keine Lieblingsserie, die nebenher läuft. Der Bildschirm bleibt heute beim Schminken und Frühstücken also schwarz. Egal. Ich lege los und mache mich ohne Berieselung fertig. Um 7:45 Uhr sitze ich gestiefelt und gespornt am Schreibtisch. Viel zu früh. Sage und schreibe eine ganze Stunde zu früh! Kann das sein?

Es erschreckt mich, wie viel Zeit ich scheinbar jeden Tag am Computer vertrödele. Was mache ich jetzt eine Stunde lang, bis die S-Bahn kommt?

Dienstag, Tag 2

Nach den Erfahrungen des gestrigen Tages schlafe ich heute etwas länger. Wieder kein Film, keine Unterhaltung, keine Ablenkung beim Start in den Tag. Es fehlt was. Aber es geht auch ohne. Gott sei Dank. Ich will losgehen. Mmh. S-Bahn-Verbindung raussuchen. Wie soll ich das machen ohne Computer? Mit dem Smartphone? Zählt das?

Ich schaue auf der App nach. Hab’s eilig. Keine Zeit für Experimente. Wie ich das in Zukunft mache, überlege ich mir später. Ein weiteres Problem tut sich auf: Wie gehe ich mit WhatsApp und Facebook um? Na gut. Kein Facebook. Aber auch kein WhatsApp? Das geht nicht.

Mittwoch, Tag 3

Heute komplett unterwegs gewesen; nicht viel vom Experiment gemerkt. Habe mich aber für WhatsApp entschieden. Ohne geht nicht – wie soll ich mich sonst verabreden und mit Freunden austauschen?

Donnerstag, Tag 4

Der erste Tag während des Experiments, an dem ich nicht in der Uni bin. Will zu Hause lernen. Skripte sind online. Wieder die Gewissensfrage. Aber ja. Hier muss es eine Ausnahme geben.

Am Abend dann nichts vor. Was soll ich tun? Kein Film, kein Facebook. Jetzt wird’s schwierig. Ich denke nach: Zeichnen oder Lesen wäre eine Idee. Einfach nur nachdenken und die Gedanken schweifen lassen.

Ohne dauerhafte Berieselung fallen mir plötzlich Dinge ein, um die ich mich kümmern muss. Mir fällt auf: Die Zeit geht viel langsamer vorbei.

Download HQ (mp4, 88,8 MB, Datei ist nicht barrierefrei)


Freitag, Tag 5

Allmählich stauen sich die Computerthemen auf: Ich muss dringend eine Überweisung machen – Onlinebanking. Wieder eine unumgängliche Ausnahme. Wie wird das Wetter? Kurze Hose oder Wollpulli? Wie sieht’s aus mit Spiegel Online? Flug buchen für den Urlaub?

Und, das größte Problem, ich muss heute arbeiten. Mein Job als studentische Hilfskraft findet ausschließlich am Computer statt. Daten und Zahlen in Excel-Tabellen einpflegen. Hier muss es eine Ausnahme geben. Zeit für eine Liste mit Ausnahmen.

Samstag, Tag 6

Wochenende, freier Tag. Habe lange geschlafen und treffe mich jetzt mit Freunden. Einmal sitzen wir in der Kneipe und ich merke, wie es still wird und alle in ihre Smartphones gucken. Ich sitze daneben, schweige ebenfalls und frage mich, was das mit unserer Kommunikation macht. Anschließend Yoga, Kranplatzfest, spät nach Hause kommen. Computer spielt heute keine Rolle. WhatsApp ja – aber darauf hatte ich mich ja geeinigt.

Sonntag, Tag 7

Langsam aber sicher ist es in mein Bewusstsein gerieselt, dass ich auch heute – letzter Tag – ohne Computer auskommen muss. Es ist auch nicht mehr so schlimm. Ich habe schon Pläne gemacht: Endlich mal wieder fotografieren. Ich hatte vor einigen Monaten damit angefangen, an jedem Tag ein Foto zu machen. Der Plan waren 365 Fotos, also ein ganzes Jahr in Bildern. Aus Zeitgründen musste ich die Idee aufgeben. Heute fange ich wieder damit an.

Kommentare: 2

  • Toller Beitrag,
    Lässt einen über sein Computer Verhalten nachdenken.
    Ein Fazit über die Erfahrungen wäre auch noch toll!

  • Hallo Léonie,
    das Foto von Dir ist schön! Bist Du in Wirklichkeit auch so schön?
    Schade, daß Du so viele Probleme hast in deinem noch jungem Leben.
    Es geht sehr gut auch ohne Computer, Handy, Fernseher, Radio und Zeitung.
    Es bleibt dann viel mehr Zeit für die schönen Dinge im Leben.
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