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Nicht klagen, sondern diskutieren

Beim Bürgerdialog des Sozialdienstes katholischer Frauen in Köln zog sich die Freiheit als roter Faden durch den Abend. Hinter dem großen Begriff stecken ganz konkrete, alltägliche Anliegen.

Veröffentlicht:19.05.2015 Schlagworte: Soziales Kommentare: 3

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Wenn die Menschen in diesen Tagen in den landesweiten Bürgerdialogen über ihre Vorstellung von Lebensqualität diskutieren, dann reicht die Themenpalette von der Gesundheit und Familie über Bildung bis zur Sicherheit. Schaut man genauer hin, dann lässt sich in manchen Veranstaltungen ein roter Faden erkennen, ein Thema, das sich durch alle Bereiche zieht. So zum Beispiel bei der Dialogveranstaltung des Sozialdienstes katholischer Frauen (SkF) in Köln. Das Thema "Freiheit" war hier dieser rote Faden.

Unabhängig von Transferleistungen und Behörden

"Es ging den Teilnehmerinnen um die Freiheit, ihr Leben selbst bestimmen und planen zu können", beschreibt Monika Kleine, Geschäftsführerin des SkF. Hinter diesem eher allgemeinen Anliegen verbirgt sich oft ein konkretes Ziel: frei zu sein von Transferleistungen und unabhängig von Behörden. Nicht alle in der Diskussionsrunde haben dieses Ziel schon erreicht. Sie werden vom Sozialdienst katholischer Frauen mit zahlreichen Angeboten unterstützt, darunter beispielsweise eine Jugendliche, die erst kürzlich ganz allein von Eritrea nach Deutschland flüchtete, junge Mütter und Schwangere, die derzeit in einem Mutter-Vater-Kind-Haus des SkF leben oder langzeitarbeitslose Frauen, die bei der gemeinsamen Arbeit in einem Beschäftigungsprojekt wieder Selbstbewusstsein entwickeln. Auch einige Mitarbeiter des SkF sowie eine Vertreterin aus dem Vorstand diskutierten mit. So kam eine buntgemischte, etwa 20-köpfige Gruppe zusammen, in der die jüngste Teilnehmerin zehn Jahre alt war, die älteste Mitte 50.

Was muss aus ihrer Sicht passieren, damit jeder die Chance hat, ein selbstbestimmtes Leben zu führen? "Die Frauen, jung wie alt, wünschen sich zum Beispiel eine Arbeit, von der sie gut leben können, die Spaß macht und sinnvoll ist", sagt Monika Kleine. In diesem Zusammenhang kamen auch Fragen auf wie: Warum verdienen Frauen eigentlich oft immer noch weniger als Männer? Und warum werden einige Berufe so viel schlechter bezahlt als andere?

Thema Wohnen heiß diskutiert

Das Thema Wohnen wurde ähnlich heiß diskutiert. Ist doch die eigene Wohnung ebenfalls ein relevanter Aspekt von Selbstbestimmtheit und damit letztlich auch von Freiheit. "Köln leidet unter Gentrifizierung", sagt Kleine. Wer auf einen Wohnberechtigungsschein angewiesen ist, lande schnell in einem der sogenannten sozialen Brennpunkte. Zusätzlich zu teilweise kaum zumutbaren Wohnverhältnissen haben die Menschen auch mit Vorurteilen zu kämpfen. "Trotzdem ging es ihnen in der Veranstaltung nicht darum zu klagen", so Kleine, "sondern darum, darüber zu sprechen, welches Recht wir auf eine gute Wohnung haben und wie dieses Recht besser umgesetzt werden kann."

Besonders die jungen Mütter in der Runde hatten außerdem ein Anliegen zum Thema Bildung: "Sie wünschen sich, dass wieder Schuluniformen eingeführt werden, damit ihre Kinder weniger unter Druck stehen, die 'richtige' Kleidung tragen zu müssen", erzählt Monika Kleine. Darüber hinaus sprachen sie sich für Aufnahmetests an Schulen aus. Ihre Hoffnung ist, dass so auch Kinder aus schlechter gestellten Stadtvierteln Chancen auf einen Platz an einer guten Schule haben.

Als Fazit ließ sich so aus dem Abend ziehen: Freiheit bedeutet für diese Teilnehmerinnen am Bürgerdialog Gerechtigkeit, Chancen auf Bildung und Ausbildung entsprechend der eigenen Möglichkeiten und Interessen, eine gute Arbeit und das Wohnen in lebenswerten Vierteln und menschengerechten Wohnungen.

Kommentare: 3

  • Ich komme ja aus einer Diktatur, kenne also die Wirkung von Politik und Staat damals und kann das sicher subjektiv mit heute vergleichen. Politik setzt immer Forderungen und Erwartungen an die Bürger an, man wirkt mit vielen Möglichkeiten, gerade auch Medien auf die Bürger ein. Die von den jeweils Herrschenden und Regierenden als richtig erachtete Sichtweise und Meinung wird immer wieder erläutert, man erwartet doch endlich die Einsicht der Bürger in die zu geltende Meinung. In einer politischen Diktatur ist das sicher noch extremer, aber heute passiert vieles geschickter, bunter verpackt und besser- nicht so primitiv gesteuert. WIR Menschen wurden und werden so immer irgendwie von der Politik bewegt, gelenkt, merken das oft gar nicht. Im Alltag, auch im Job oder zu Hause erleben wir ja so viel Folgen und Wirkungen von guter oder auch zunehmend verfehlter Politik, egal nun, in welcher sozialen Schicht man sich gerade bewegt. Gruß- Uwe

  • Es gab eine Zeit, da hat Politik ihre Arbeit erledigt ohne in das Leben einzugreifen oder gar Vorgaben dafür festzulegen. Sie ging auf Veränderungen ein und führte sie unter gesellschaftspolitischen Gesichtspunkten, in eine für alle tragbare Form. Nach dieser Zeit sehne ich mich zurück, denn sie gab jedem Bürger die Freiheit, die er brauchte, um sich unabhängig zu entfalten und sein eigenes Leben zu führen. Heute ist Politik das Werkzeug für eine abweichende Norm, die in einer vorgefassten Ordnung/Überzeugung feststeckt. Leider hat das nichts mehr mit einer Demokratie zu tun, denn sie entwickelt sich unabhängig und frei von Normen und Diktaten, die einer prognostizierten Vorausschau geschuldet sind. Betroffene werden ihrer eigenen Kreativität beraubt, sie werden in ein Schema gepresst und müssen dem entsprechend funktionieren. Der Mensch selbst stellt die tägliche Herausforderung auf höchstem Niveau dar, er fordert die Akzeptanz der eigenen Grenzen und nicht deren Anpassung.

  • Finde diesen Blog- Beitrag sehr interessant und wichtig.
    Das haben die Bürger leider in den letzten Jahren zu wenig geübt und gelernt, "nicht klagen, sondern diskutieren"! Was der Politik und den Regierenden gegen den Strich ging, das wurde schlecht geredet, schlecht gemacht, die Politik hat hier viel Einfluß bei den Bürgern verloren.
    Das Thema Wohnen und Existieren- Leben in einer alternden Gesellschaft ist doch mehr als menschlich und wichtig, dazu auch das große Feld von Schule- Bildung- Jugend und Zukunft der Generationen.
    Wie kann man selbst bestimmt leben, wie kann man sich verwirklichen auch ohne Vermögen, mit wenig Finanzen, der Alltag und die aktuelle Lage in Deutschland und der Welt bieten viele Diskussions- und Handlungsthemen. Wo stehen wir, diese Wirtschaft- Gesellschaft- Politik, welchen Platz haben da die einfachen Menschen, mündigen Bürger?