Leichter geht’s leichter
15 Prozent der Kinder in Deutschland sind übergewichtig. Auf körperlicher, aber auch auf seelischer Ebene ist ihre Lebensqualität oft eingeschränkt. In derzeit 14 ambulanten Gruppen bundesweit unterstützt das Moby Dick-Netzwerk Kinder zwischen acht und 17 Jahren für die Dauer eines Jahres beim Abnehmen und stärkt ihr Selbstbewusstsein.
Quelle: Thorsten Eckert
In der Dresdner Moby Dick-Gruppe im Stadtteilzentrum Emmers steht Zirkeltraining an. Für Charley, Fabian, Jeanette, Maximilian, Paul und Sophie hat Trainer Andreas im sonnigen Hof Stationen vorbereitet, an denen die Kinder mit viel Spaß in Bewegung kommen. Neben Sprints und Kniebeugen gibt es die auch im Internet beliebte "Plank-Challenge", ein Unterarmliegestütz. "Ja, halten!" Die Kinder feuern sich gegenseitig an. Für die Übung an der Station daneben braucht man vor allem etwas Mut – Mut, die eigene Stimme laut zu machen: Hier sollen sich die Kinder möglichst groß machen, mit den Händen auf den Oberkörper klopfen und laut wie ein Gorilla brüllen.
Physische und psychische Belastungen
"Übergewichtige Kinder fühlen sich nie wohl in ihrer Haut", erklärt Gruppenleiterin Kathleen Beuschel die Übung. Oft wollen sie lieber nicht auffallen, nicht schon wieder in der Aufmerksamkeit ihrer normalgewichtigen Mitmenschen stehen. Sich etwas zu trauen, selbstbewusst zu sein – das ist ein Erfolgserlebnis, das viele übergewichtige Kinder gut gebrauchen können. Sie leiden schon früh unter Hänseleien oder Mobbing, haben ein schlechtes Selbstwertgefühl oder Ängste. "In unserer Gesellschaft mit ihren Schönheitsidealen ist es nicht leicht, von der Norm abzuweichen", sagt Kathleen Beuschel, "gerade wenn man vielleicht wenig Geld hat und uncoole Klamotten, weil nie etwas passt."
Zudem haben betroffene Kinder oft Rücken- und Gelenkschmerzen und hohen Blutdruck, manchmal schlechte Zähne. Übergewicht kann die Blutwerte verschlechtern, Diabetes und Arteriosklerose fördern und das Risiko auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen vergrößern.
Der 13-jährige Maximilian ist mit Moby Dick deutlich leichter geworden. Seit Juni kommt er trotz langer Anfahrt regelmäßig und gern in die Gruppe. Wie fast alle Moby Dick-Teilnehmer ist er motiviert – und stolz auf seinen Erfolg. "Aber ich habe Angst, dass ich wieder zunehme, wenn Moby Dick zu Ende ist", sagt er. Darauf bereitet Moby Dick die Kinder gezielt vor, zum Beispiel mit der gemeinsamen Suche nach einer individuell passenden Sportart, an der sie langfristig Freude haben. Maximilian will sich demnächst bei den Rettungsschwimmern umsehen.
Eigene Schwächen kennen – und die Stärken
Auch gemeinsames Kochen zielt darauf ab, langfristig Gewohnheiten zu ändern – ebenso wie das Verhaltenstraining. Heute geht es um die Legenden von Siegfried und Achilles als nahezu unverwundbare Helden. Doch selbst sie haben Schwächen. Moby Dick fördert die Kinder, die eigenen Schwächen und Stärken zu kennen. Auf einem Arbeitsblatt tragen sie ein, was sie verletzt. "Wenn jemand sagt, ich stinke", "wenn es wieder heißt, ich würde zu lange am Computer sitzen", "wenn man mich Speckimampftonne nennt". Nicht alle möchten vorlesen.
Das nächste Blatt ist viel leichter auszufüllen: Worüber freust du dich, wenn es andere über dich sagen? Für mehrere Minuten herrscht konzentrierte Stille. Danach lesen die Kinder gerne vor: "Du hast total abgenommen", "cool, du gehst ins Fitnesscenter". Und plötzlich geht es gar nicht mehr ums Gewicht, sondern darum, was wichtig ist im Leben: "Ich finde dich nett" und "du bist mein Freund". Dabei ist es ganz egal, wie viel man wiegt.
Über Moby Dick
Moby Dick ist ein ambulantes Therapieprogramm für übergewichtige Kinder und Jugendliche. Das Ziel: langfristige Gewichtsreduzierung und Verbesserung der Lebensqualität. Die Kinder und Jugendlichen treffen sich einmal wöchentlich drei Stunden in einer festen Gruppe. Gemeinsam erarbeiten sie Wissen zur gesunden Ernährung, machen Sport und kochen. Gezielt werden Selbstbewusstsein und Eigenverantwortung gestärkt. Mit Erfolg: 67 Prozent der Kinder, die ein Jahr regelmäßig am Programm teilnehmen, nehmen ab oder zumindest nicht zu. Die Eltern sind fest in das Programm einbezogen. Viele Krankenkassen übernehmen die Kosten, in der Regel müssen die Eltern einen Eigenanteil zahlen.
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