Neue Gradmesser für den Wohlstand
Warum ist das Bruttoinlandsprodukt alleine nicht der einzige Maßstab für die Messung von Wohlstand? Welche anderen Indikatoren könnten etabliert werden? Prof. Dr. Christoph M. Schmidt spricht über die Rolle des Dialogs "Gut leben - was uns wichtig ist" in diesem Prozess.
Quelle: Bundesregierung/Loos
Prof. Schmidt, das Bruttoinlandsprodukt (BIP) ist noch immer der populärste Leitindikator für den Wohlstand von Gesellschaften. Was sind die Vorteile?
C.M.S.: Das Bruttoinlandsprodukt ist vor allem ein zuverlässiges Maß für die Wirtschaftsleistung. Es beantwortet die Frage: Wie viele Güter und Dienstleistungen wurden in einem Land innerhalb eines Jahres produziert? Diese Funktion ist unverzichtbar – als Gradmesser der wirtschaftlichen Lage, zur Orientierung für Geld- und Fiskalpolitik sowie als Grundlage einer verantwortlichen Haushaltsplanung. Bezieht man das BIP auf die Größe der Bevölkerung, dann gibt dieses BIP pro Kopf auch einen ersten, allerdings unvollständigen Hinweis auf den materiellen Wohlstand der jeweiligen Gesellschaft. Seine Popularität als Wohlstandsindikator resultiert auch daraus, dass das BIP weltweit seit Jahrzehnten standardisiert erhoben wird.
Welche Alternativen gibt es?
C.M.S.: Es geht gar nicht um Alternativen zum BIP, sondern um eine sinnvolle Ergänzung. Dem BIP sollte eine überschaubare Zahl an Indikatoren zur Seite gestellt werden, die neben dem materiellen Wohlstand auch Aspekte der Lebensqualität wie etwa Gesundheit, Bildung und Freiheit abbilden. Andererseits müssen Herausforderungen der Nachhaltigkeit berücksichtigt werden. Das in der Enquete-Kommission erarbeitete W3-System umfasst daher zehn Leitindikatoren in drei Säulen: "Materieller Wohlstand", "Soziales und Teilhabe" sowie "Ökologie".
Download HQ (mp4, 5,49 MB, Datei ist nicht barrierefrei)
Welche Chancen bringt eine alternative Wohlstandsmessung mit sich?
C.M.S.: Wie ein Armaturenbrett im Auto dient ein Indikatorensystem dazu, einen kompakten Überblick der relevanten Informationen zu vermitteln. Richtet unsere Gesellschaft ihren Blick auf alle Instrumente dieses Armaturenbretts und nicht auf ein einzelnes Messinstrument wie das BIP, dann können wir einfach besser navigieren. Ein Indikatorensystem sagt von sich aus aber nichts über Ursachen und Lösungsmöglichkeiten aus. Es kann aber signalisieren, wo Handlungsbedarf besteht.
Was braucht es, um einen oder mehrere neue Leitindikatoren für Wohlstand zu etablieren?
C.M.S.: Entscheidend wird sein, dass die Gesellschaft ein Indikatorensystem als Informationsgrundlage und sachlichen Anker in politischen Kontroversen nutzt. Ob es dazu kommt, wird davon abhängen, ob die Politik sich regelmäßig und öffentlichkeitswirksam auf dieses Instrument bezieht und ob die Medien es aktiv zur Illustration gesellschaftlicher Diskurse heranziehen. In der Enquete-Kommission haben wir daher viel Energie investiert, um das W3-System so zu gestalten, dass es möglichst gut kommuniziert werden kann.
Welche Rolle kann ein Bürgerdialog über gutes Leben Ihrer Meinung nach dabei spielen?
C.M.S.: Der Bürgerdialog kann unser im Wesentlichen durch Umfragen generiertes Wissen darüber, was für ein „gutes Leben“ besonders wichtig ist, durch die Stimmen von Bürgern bereichern, die selbst in repräsentativen Umfragen oft nicht zu Wort kommen. Auf diese Weise kann sich die Bevölkerung in ihrer ganzen Breite an der Entwicklung eines Indikatorensystems zur Wohlstandsmessung beteiligen. Die Zusammenführung bestehender Konzepte, insbesondere des W3-Konzepts, mit den Beiträgen des Bürgerdialogs sollte dann zu einem Indikatorensystem führen, das über eine breite öffentliche Akzeptanz verfügt und vielfältige Anwendungen finden wird.
Kommentare: 8
Deutschland ist doch so reich, voller Wohlstand, aber arm auf der anderen Seite auch. Das bekommen zu oft Menschen zu spüren, die zwar fleißig und in Vollzeit arbeiten, aber vom Einkommen nicht existieren können. Der Staat subventioniert viele unseriöse Arbeitgeber, indem er solche schlechten Einkommen aufstockt, wenn dann die Menschen dazu berechtigt und geprüft worden sind. Milliarden an Steuern werden jährlich verschwendet, man wirft sinnbildlich das Geld aus dem Fenster, wir haben es ja. Dazu kommt dann noch, dass nicht wenige Reiche auch zu wenig oder keine Steuern hier zahlen wollen und müssen, die haben dann meist noch gute Steuer- Bankberater und Rechtsanwälte. Von ehrlicher Arbeit kann hier kaum jemand wirklich "reich" werden, das war so und ist auch so. Deutschland hat so viele Milliarden Euros für immer neue Verpflichtungen europa- und weltweit, dazu Steuerverschwendungen, das passt irgendwie in eine nicht gesunde Gesellschaft. Nicht weiter so- Gruß- Uwe
Täglich lesen/ hören wir, dass die Steuereinnahmen unerwartet höher sind als geplant. Schön! Leider wird aber nicht gesagt, wieviel Schulden zurück gezahlt werden. Wann bekommen wir die Bilanz zu sehen? Jede AG ist hierzu verpflichtet, Regierungen, die das Geld der Bürger verwalten, nicht. Traurig ! Warum wird GR weiterhin hofiert? Warum sollen weiterhin Steuermillionen u.a. der dt. Bürger fließen? Wenn denn andere Staaten auf diesen Zuf aufspringen, glauben Sie wirklich, das wäre langfristig ein großer Schaden für die seriösen Staaten? Kurz- und Mittelfristig evtl., langfristig nicht. Welche Vorteile hat die Europ. Union bisher gebracht? Der Wirtschaft ja, den Bürgern, denen Sie, die Politiker verpflichtet sind, nicht. Stablität am Arbeitsmarkt gibt es nicht, dafür aber Dumpinglöhne, versteckte Arbeitslose usw.
Das BIP ist fast gleich der Summe der Staatsschulden (2160Mrd €, Mai 2015) !
Sobald Deutschland den Rettungsschirm tatsächlich zahlen muss, sind wir faktisch sofort pleite, zumindest laut Volkswirtschaftslehre! Erklären Sie uns allen mal wie das verhindert werden soll!
Ich finde da gibt es nichts schön zu reden!