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Die vier G der Zufriedenheit

Der Volkswirtschaftler Prof. Bernd Raffelhüschen forscht an der Universität Freiburg zu der Frage, was Zufriedenheit ausmacht. Im Interview spricht er über Bill Gates, Frustköpfe und Menschen, die alles haben – nur keine Zeit.

Veröffentlicht:25.10.2015 Schlagworte: Finanzen Kommentare: 2

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Professor Raffelhüschen, in welchem Zusammenhang stehen Geld und Lebensqualität?
Es gibt erst einmal einen Zusammenhang zwischen Gütern und Lebensqualität – und Güter kann ich mir wiederum mit Geld kaufen. Wer sich keine Güter leisten kann, ist eher unzufrieden. Übrigens messen wir Ökonomen den Wert von Gütern eigentlich nicht in Geld-, sondern in Zeiteinheiten. Ich bekomme eine bestimmte Summe Geld für die Zeit, die ich arbeite, und kann mir davon Güter kaufen. Die Frage ist also: Wie lange muss ich arbeiten, damit ich mir ein Produkt kaufen kann?

Kann man sagen, je mehr Geld jemand zur Verfügung hat, desto höher ist seine Lebensqualität?
Der Volksmund sagt, Geld macht nicht glücklich. Allerdings liegt der Volksmund nicht immer richtig. Geld macht immer zufriedener, die Lebensqualität steigt nur unterschiedlich stark an. Stellen Sie sich vor, Multimilliardär Bill Gates findet auf der Straße einen 100-Dollar-Schein. Er wird trotz seines Vermögens ein kleines bisschen zufriedener sein. Findet aber ein Obdachloser einen 100-Dollar-Schein auf der Straße, steigt seine Zufriedenheit deutlich mehr.

Welche Faktoren sind – abgesehen vom Geld – entscheidend für Lebensqualität?
Wir haben in unseren Untersuchungen Hunderte von Variablen betrachtet, die die Zufriedenheit eines Menschen definieren. All diese Variablen haben wir in vier Gruppen geclustert, die vier G: Geld – dazu gehört auch Vermögen. Gesundheit – das umfasst sowohl Dinge wie den subjektiven Gesundheitszustand als auch den Zugang zu medizinischer Versorgung. G Nummer 3 ist die Gemeinschaft. Lebe ich in einer Partnerschaft oder bin ich Single, habe ich einen Freundeskreis, bin ich kulturell aktiv etc. All das spielt eine Rolle. Das vierte G nennen wir die genetische Disposition. Das hat etwas mit dem Charakter eines Menschen zu tun. Es gibt zum Beispiel Menschen, die haben alles, sind aber einfach Frustköpfe. Das übertüncht dann alles.

Kann man eigentlich auch zu viel Geld haben?
Die Daten des sozio-oekonomischen Panels, mit denen wir arbeiten, geben dazu keine Auskunft. Ich kann also nur mutmaßen, würde aber sagen: Man kann nicht zu viel Geld haben. Nehmen Sie wieder das Beispiel von Bill Gates, der einen 100-Dollar-Schein findet. Ich denke, er würde sich darüber freuen.

Haben Sie Empfehlungen, wie man in Sachen Lebensqualität das meiste aus seinem Geld machen kann?
Das ist eine schwierige Frage. Aus statistischer Sicht kann ich sagen: Zufriedenheit kommt nicht aus der Spitze heraus. Das bedeutet, das Verhältnis aller Faktoren, also der vier G, muss ausgeglichen sein. Das meinen wir mit dem schrecklichen Begriff Work-Life-Balance. Wenn ich Geld ohne Ende habe, aber keine Zeit es auszugeben, dann bin ich auf Dauer nicht zufrieden. Habe ich jede Menge Zeit, am Strand zu liegen, kann mir dafür aber nichts kaufen, weil mir das Geld fehlt, bin ich genauso wenig zufrieden.

Kommentare: 2

  • Die Annahmen finde ich zunächst richtig, aber zu kurz gedacht und schade für eine ganze Studie. Mit dem Beispiel des Obdachlosen nimmt Prof. Raffelhüschen einen zeitlichen Verlauf mit rein. Die Erwartungshaltung und die Aussicht der künftigen Beschaffungsmöglichkeiten von Gütern sorgt für eine höhere Zufriedenheit des Obdachlosen.
    Dies ist jedoch nicht bei den 4 Gs enthalten.
    Überspitzt kann man sagen, ein Herr Gates wird umringt von seinen Lieben, gesund und immer noch milliardenschwer, während eines Raubüberfalles mit vorgehaltener Pistole sicher nicht zufrieden sein.

  • Es mag ja dem Mainstream wichtig sein im Geld zu schwimmen, doch ich bin lieber ein respektvoller Lebenspartner als ein reicher Teilnehmer. Damit will ich sagen, wer Geld nicht mehr als Gegenleistung für seinen Arbeitseinsatz sehen kann sondern als Ausgleich für den eigenen Lebenseinsatz sieht, der hat weit gefehlt, denn kein Mensch kann seine erbrachte Lebensleistung selbst ermessen. Deshalb macht Geld allein auch nicht glücklich, denn auch Geld braucht einen Lebenspartner, der es sinnvoll teilen kann und nicht ein Lebensgefühl, das es nicht selbst entwickeln kann. Heute wird der bevorzugt behandelt, dessen Geldbeutel so voll ist, dass er damit die Staatshaushalte kleiner Länder aushalten könnte. Menschen werden hofiert und in den Vordergrund gestellt obwohl sie, zumindest laut deutschem Grundrecht mit jedem Penner gleich gestellt werden müssten. Gleichberechtigung ist eine schöne Sache, wenn sie denn auch gelebt wird und nicht nur auf einem Stück Papier steht.