"Weg vom Statusobjekt, hin zum Gebrauchsobjekt"
Mobilität ist eine wichtige Voraussetzung für Wirtschaftswachstum, Teilhabe und Lebensqualität. Aufgabe einer sinnvollen Verkehrspolitik ist es daher, Mobilität zu ermöglichen und nachhaltig zu gestalten. Dr.-Ing. Martin Kagerbauer vom Institut für Verkehrswesen am Karlsruher Institut für Technologie wirft einen Blick in die Zukunft der Mobilität.
Mobilität ist Teil von Lebensqualität. Für Dr.-Ing. Martin Kagerbauer gehört beides zusammen: "Gerade in einer Welt, in der vieles komplexer wird, verbessert Mobilität die Lebensqualität", sagt der Forscher. Schon jetzt, aber auch in Zukunft wird unsere Mobilität flexibler werden. Vorbei sind die Zeiten, in denen man mit dem Auto zur Arbeit, zum Einkaufen und in den Urlaub fuhr. Kagerbauer: "Die Menschen werden stattdessen die Wahl des Verkehrsmittels sehr gezielt davon abhängig machen, wohin sie wollen und wann." Sie werden die Nutzung mehrerer Verkehrsmittel kombinieren.
Keine Festlegung auf ein Verkehrsmittel
Kagerbauer erläutert, dass das auch in einem flexibleren Alltag vieler Menschen begründet ist. Ein Beispiel: Flexible Arbeitszeitmodelle ohne die Bindung an eine feste Kernzeit können dazu führen, dass der Weg zur Arbeit mal mit dem Auto, mal mit einem öffentlichen Verkehrsmittel und mal mit dem Rad zurückgelegt wird – oder Verkehrsmittel je nach Bedarf kombiniert werden.
"Von Interesse sind gut funktionierende Übergänge zwischen einzelnen Verkehrsmitteln", sagt Kagerbauer, also der Umstieg zum Beispiel vom Auto oder Fahrrad in ein öffentliches Verkehrsmittel. Auch hier rechnet Kagerbauer für die Zukunft mit mehr Flexibilität. In den Niederlanden gibt es derzeit ein interessantes Beispiel namens Park and Bike. Dabei werden an Parkplätzen in den Randbereichen der Städte Fahrräder für die so genannte letzte Meile, also bis zur Arbeit oder zum Einkaufen, bereitgestellt.
Nicht besitzen, sondern nutzen
Verkehrsforscher unterscheiden grundsätzlich zwischen urbanen und ländlichen Regionen. Die Trends in den Städten sind Carsharing und Bikesharing. So ist zum Beispiel Karlsruhe die Carsharing-Hauptstadt: 800 Autos zur Ausleihe gibt es hier – das sind etwa zwei pro tausend Einwohner, so viel wie in keiner anderen Stadt in Deutschland.
In den Städten sind gerade viele jüngere Menschen schon heute sehr flexibel, was ihre Mobilität betrifft, erläutert Kagerbauer: "Im Vergleich zu vor zehn Jahren sind sie weniger mit dem Auto und mehr mit anderen Verkehrsmitteln unterwegs, die sie zudem flexibler nutzen: nämlich gezielt die Verkehrsmittel, die gerade jetzt für den konkreten Zweck gut geeignet sind. Dennoch sind sie im gleichen Maße mobil wie früher."
Neue Statusobjekte
Für jüngere Leute geht der Trend weg vom Auto als Statusobjekt und hin zum Gebrauchsobjekt, so Kagerbauer. Sie wollen Autos vor allem nutzen können – der Besitz eines eigenen Autos ist von sinkender Bedeutung. Auch der Führerschein wird im Schnitt später gemacht. Neue Statussymbole sind heute zum Beispiel Smartphones – die man übrigens braucht, um Mobilitäts-Apps zu nutzen. "Für viele Ältere, die mit dem Auto sozialisiert worden sind, ist das eigene Auto hingegen nach wie vor ein Statussymbol und wichtiger Bestandteil von hoher Lebensqualität", sagt Kagerbauer.
Im ländlichen Bereich wird der eigene PKW weiterhin eine große Rolle spielen, denn flexible Angebote des öffentlichen Verkehrs sind hier schwieriger zu gewährleisten. Langfristig wird hier der Trend zur Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel in Kombination mit autonomen, also selbstfahrenden Fahrzeugen gehen. Denn Angebote wie Züge und Linienbusse sind durch die Infrastruktur und das Personal – also Fahrer – teuer. Kagerbauer vermutet, dass autonome Fahrzeuge in zehn bis 15 Jahren zum Einsatz kommen könnten: "Technisch ist schon viel möglich, aber die gesetzlichen Grundlagen sind noch nicht da", erklärt er. Noch muss laut des Wiener Übereinkommens über den Straßenverkehr jederzeit ein Mensch die Gewalt über das Fahrzeug haben.
Innovative Mobilitätsangebote als Daseinsvorsorge auf dem Land
Gerade auf dem Land wird es in Zukunft noch wichtiger werden, innovative Mobilitätsangebote bereitzustellen, erklärt der Forscher. Solche Angebote könnten in Zukunft sogar zu einer Art Daseinsvorsorge werden, damit ländliche Regionen attraktiv bleiben. Diese Mobilitätsangebote auf dem Land, die die Lebensqualität für die Menschen erheblich erhöhen, sind wichtig – insbesondere, weil hier zunehmend ältere Menschen wohnen werden. Kagerbauer: "Gerade mit Blick auf den demografischen Wandel ist es deshalb eine wichtige Aufgabe, in allen Bereichen mobil zu bleiben."
Kommentare: 2
Ich möchte bequem und preiswert dahin kommen, wo ich hinkommen muss oder möchte, sei es zur Arbeit, zu Dienstleistern, zu notwendigen Dingen im Leben, sicher auch zur Erholung. Das muss nicht das private Auto sein, das ist momentan nur der Ausweg aus schon woanders genannten Lagen und Rahmenbedingungen. Ich möchte nicht bestraft sein, wenn ich nicht in einer Ballungsregion oder Großstadt lebe, wo der Nahverkehr noch etwas funktioniert. Eine alternde Gesellschaft sollte nicht den Nahverkehr noch mehr verteuern oder reduzieren, man muss ihn bequem zwischen geeigneten Verkehrsmitteln kombinieren. So würden auch Menschen, oft junge Menschen ohne Führerschein und eigene Technik besser zu Bildung und Arbeit kommen. Ich muss etwas nicht unbedingt besitzen, aber ich will es bei Bedarf ohne Probleme nutzen (können und dürfen)! Gruß- Uwe
"Nicht besitzen, sondern nutzen"
Das ist doch mal eine klare, ehrliche Aussage. Zeigt sie doch, wohin Deutschlands Reise geht.
Systematisch wurde die Jugend dazu erzogen, statt zu arbeiten und sich vom Erarbeiteten etwas zu gönnen (zu besitzen), auch ohne Leistung teilzuhaben, sich mit Minijobs in prekären Verhältnissen zufrieden zu geben, solange sie glücklich und entgeistigt, vornübergebeugt über das neueste Smartphone vor den nächsten Laternenpfahl laufen.