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Breakfast mit Herz

Am 15. Juli 2015 nahm Bundeskanzlerin Angela Merkel an der Dialogveranstaltung des Schulzentrums Paul Friedrich Scheel für Körperbehinderte in Rostock teil. Die Mitglieder der Schülerfirma "Breakfast" diskutierten mit der Bundeskanzlerin über gutes Leben. Vor dem Termin hatte die Bürgerdialog-Redaktion der Firma in die Kochtöpfe geschaut.

Veröffentlicht:15.07.2015 Kommentare: 5

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Donnerstag nach der vierten Stunde: Nach und nach treffen die Mitglieder der Schülerfirma in der Lehrküche ein. Noch geht alles ganz gemächlich, Händewaschen, schwarze Hemden und orange Kochschürzen mit Logo anziehen, Arbeitshandschuhe bereitlegen. Peter, Kevin, Max, Willy, Frederick und Marcel kochen heute Hähnchenkeulen mit Reis und Mangokokosmilchsoße, dazu gibt es Salat. Im Angebot sind auch warme Sandwiches, Bananen-Vanille-Milchshakes und kleinere Süßigkeiten.

Die Schülerinnen und Schüler der Scheel-Schule haben unterschiedliche Körperbehinderungen, manche davon sichtbar, manche nicht. Um Behinderungen geht es in dieser Schülerfirma allerdings herzlich wenig. Jeden Donnerstag bereiten die Jugendlichen bis zu 40 Portionen für Mitschüler und Pädagogen zu – lecker, pünktlich und mit einem kleinen finanziellen Gewinn, der in Ausrüstung investiert wird. Regelmäßig zahlt die Firma Leistungsprämien entsprechend dem erzielten Gewinn an die Schüler aus. Damit sammeln die Jugendlichen zwischen 14 und 17 Jahren erste Erfahrungen fürs Berufsleben. Mehreren Jungs aus dem aktuellen Team, die demnächst eine Ausbildung beginnen, haben die Erfahrungen in der Schülerfirma bei der Lehrstellensuche geholfen. In der Firma lernen die Schüler fürs Leben: Verantwortung, Teamfähigkeit, vorausschauendes Denken, Rechnen. "Das Zertifikat kommt gut an", sagt Peter. Der 17-Jährige ist seit 2011 in der Schülerfirma und heute stellvertretender Geschäftsführer.

In der Lehrküche wird heute in kleiner Besetzung gekocht - zwei Schüler sind krank, vier auf Klassenreise. Trotzdem sitzt die Arbeitsteilung, das Team ist gut eingespielt. Lehrerin Berit Kunz gibt den Startschuss: "Wer ist Reismann? Wer ist Shaker Maker?" Sie erinnert nochmal an das wichtigste: Mitdenken. "Wenn ihr zwischendurch nichts zu tun habt, nicht zugucken, sondern nützlich machen!" Zwei der Jungs sind heute Springer: sie packen dort an, wo Hilfe gebraucht wird.

Es geht nicht nur ums Kochen

Das Team legt los. Zwei Leute kümmern sich um die Sandwiches, die Keulen müssen auf die Backöfen verteilt werden, der Salat wird gewaschen und geputzt – emsige Geschäftigkeit breitet sich aus. Die Lehrküche hat höhenverstellbare Arbeits- und Kochplatten sowie ein herunterfahrbares Waschbecken, damit sie auch für Menschen im Rollstuhl nutzbar ist. Berit Kunz und ihre Kollegin Bärbel Schulze sind überall gleichzeitig. Jemand hat Joghurt für die Shakes aus dem Nebenraum geholt. "Die nicht, die sind fürs Rathaus!", ruft Berit Kunz. In der kommenden Woche bereitet die "Schüfa", wie die Gruppe auch genannt wird, für die Bürgerschaft im Rostocker Rathaus das Essen. Der Bürgerschaftspräsident Wolfgang Nitzsche ist Schirmherr der "Breakfaster", regelmäßig übernimmt die Firma hier und bei anderen Veranstaltungen das Catering.

Inzwischen ist Tempo in die Sache gekommen. In exakt 45 Minuten muss das Essen fertig sein. "Wo ist Willy, drückt der sich vor den Keulen?" –"Nee, der bereitet die Kasse vor!" – "Ach ja. Kann mir hier schnell mal jemand helfen?" Bei der Schülerfirma geht es längst nicht nur ums Kochen. Neben der Planung und Öffentlichkeitsarbeit müssen die Jugendlichen ständig rechnen: Wie viel müssen wir für ein Gericht nehmen, wenn wir die teuren Bandnudeln eingekauft haben? Wie viele Portionen ergibt ein Beutel Reis, und wie viele Beutel muss ich nehmen, wenn es für 35 Portionen reichen soll? Sie machen auch die wertvolle Erfahrung, dass sie im Team arbeiten müssen, damit das Essen zum richtigen Zeitpunkt auf dem Tisch steht.

Mit Liebe gekocht

Kurze Schrecksekunde: Der Reis wird zu früh fertig. "Der durfte doch noch gar nicht rein!" Dafür brauchen die Keulen im Ofen noch – Temperatur hochdrehen. Zwei Jungs tragen Tische vor die Lehrküche, auf denen die Essensausgabe aufgebaut wird. Die Handgriffe sitzen. Mit dem Klingeln der Schulglocke treten hungrige Lehrer und Schüler an die Tische, nennen ihren Namen und nehmen gegen Barzahlung ihr Essen entgegen. Einige von ihnen sind Stammgäste. "Hier schmeckt es einfach immer gut", sagt eine Lehrerin. Ein Kollege freut sich über die herzförmige Kirsche, die den Reis dekoriert: "Da wart ihr ja wieder mit ganzem Herzen dabei". Die jungen Unternehmer freuen sich. Mit einem herzlich-norddeutschen "Lass es dir man schmecken, ne" geht ein Teller nach dem anderen raus.

Unterstützung durch die DKJS

Die Schülerfirma genießt einen guten Ruf: Mehrere Schüler des aktuellen Teams werden zum Ende des Schuljahres abgehen, aber die Nachwuchs-Rekrutierung läuft. Wer in die Schülerfirma will, muss sich bewerben und begründen, warum er oder sie mitmachen will.

Berit Kunz hat die Schülerfirma vor zehn Jahren gegründet. Unterstützt wurde sie von Anfang an vom Fachnetzwerk Schülerfirmen der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung (DKJS) und der Regionale Arbeitsstelle für Bildung, Integration und Demokratie (RAA) Mecklenburg-Vorpommern. Die Stiftung hat mit einer Anschubfinanzierung geholfen und unterstützt "Breakfast" mit Weiterbildungs- und Qualifizierungsangeboten für die jungen Unternehmerinnen und Unternehmer sowie die Lehrkräfte. Außerdem vergibt sie das Qualitätssiegel "Klasse Unternehmen". "Breakfast" ist die erste Schülerfirma aus Rostock, die das Siegel bekommen hat.

Mehr Respekt gegenüber Behinderten

Ganz am Schluss, als in der Küche schon wieder "klar Schiff" ist, setzen sich auch die jungen Unternehmer gemeinsam zum Essen. Anlässlich der Dialogveranstaltung mit der Bundeskanzlerin geht es dann doch noch ums Thema Lebensqualität und Behinderungen. Schnell wird klar, dass die jungen Unternehmer nicht nur gut wirtschaften und kochen, sondern dass sie auch sehr genau formulieren können, was ihnen wichtig ist. "Therapieangebote in der Schule erhalten, das gibt uns Standfestigkeit", "alle Gebäude zugänglich machen für Rollstuhlfahrer, ältere Leute und Menschen wie uns, die nicht so gut können", "Bordsteinkanten absenken", "mehr Respekt gegenüber Behinderten in der Gesellschaft", "weniger Leute, die mich anglotzen". Soviel ist sicher: Die Bundeskanzlerin wird engagierte Gesprächspartner finden.

Das Fachnetzwerk Schülerfirmen der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung berät und begleitet rund 520 Schülerfirmen an allen Schultypen, in denen sich mehr als 5.000 Kinder und Jugendliche engagieren. Die Schülerfirmen arbeiten jahrgangsübergreifend, langfristig und haben eine eigene Rechtsform. 90 Schülerfirmen haben 2014 das Qualitätssiegel "Klasse Unternehmen" erhalten. Mehr erfahren
Anfragen nimmt die Schülerfirma "Breakfast" online entgegen.

Von Angeboten wie der Schülerfirma "Breakfast" profitieren alle: die jungen Unternehmer sammeln wertvolle Erfahrungen, die Mitschüler und Lehrer kommen in den Genuss eines leckeren Essens. Was ist Ihnen wichtig? Was macht für Sie persönlich Lebensqualität aus? Auch Sie sind herzlich eingeladen, hier die Fragen des Bürgerdialogs zu beantworten.

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In Schülerfirmen engagieren sich Schülerinnen und Schüler und sammeln wichtige Erfahrungen fürs Berufsleben. Wofür würden Sie sich einsetzen?

Kommentare: 5

  • Lieber Anton,

    grundsätzlich versuchen wir es zu vermeiden, Produktnamen zu zeigen. Aber: Wir versuchen auch gleichzeitig die Wirklichkeit zu zeigen, alle Fotos leben von der Authentizität . Wenn also ein Protagonist ein Nike-Shirt trägt, werden wir das Logo nicht retuschieren. Im vorliegenden Fall werden wir aber Ihrem Hinweis folgen und das Bild neu zuschneiden.

    Es grüßt
    die Redaktion Bürgerdialog

  • Mein älterer Sohn ist auch schwer behindert, ich kenne somit ähnliche Probleme. Mein jüngerer Sohn ist einem Schwerbehinderten gleich gestellt, auch da kenne ich viele Dinge, die man eigentlich nicht verstehen will oder kann. Ja, ich kann da nur den Mut weiter geben, kämpfen Sie für Veränderungen, wenden Sie sich an zuständige Politiker, an die zuständigen Fachministerien, suchen Sie die Gemeinschaft mit gleichen Betroffenen, die ähnliches erleben. Es passiert im reichen Deutschland viel, was von Armut in anderer Sicht zeugt, was man als Behinderter oder Benachteiligter nicht begreift. lassen Sie sich von vertrauenswürdigen Mitarbeitern von Verbänden und Vereinen beraten, auch kostenlose Rechtsauskunft sollte da möglich sein. Gruß- Uwe

  • Guten Tag,

    ich bin auch behindert und arbeite in einer Werkstatt für behinderte Menschen, in erster Hinsicht muss ich ihnen natürlich ein großes Lob aussprechen und finde ihre Aktionenen natürlich Toll. Aber mann sollte auch die Arbeitsleistung der behinderten Menschen nicht vergessen, ich arbeite 6 Stunden bei gerade mal ca.1 Euro die Stunde! Es kann nicht sein, dass alle hier von Mindestlon sprechen, und eine ungelernte Fachkraft die das leistet was viele behinderte Menschen (in Werkstätten oder anderswo leisten) mind. 5 Euro bekommt! OK, wir bekommen zwar noch Rente (EU oder Erwerbsminderung) aber trotzdem. Es kann nicht Sein! Ich bekomme ca. 120 Euro im Monat! dazu Rente von mind. 500 Euro, das reicht gerade für meine Miete! Ich muss allso wie andere behinderte Menschen noch vom Land zusätzlich gestützt werden!
    Wie kann das sien, dass ein Land, was gerne mal mit dem Finger auf andere Zeigt in Punkto ausbeutung, hier schon jahrelang verfährt!
    Wir sind behindert, aber keine Sklaven